: Perfekter Dilettant
■ Arto Lindsays „Ambitious Lovers“ begeisterten in der Schauburg
Die vielen ordentlichen Gitarristen, die jahrelang fleißig an ihrem Instrument geübt haben, müßten eigentlich bei Arto Lindsay wütend ihre Plektren in die Gitarrenkoffer pfeffern. Stellt dieser sich keck auf die Bühne, ohne auch nur einen Akkord zu kennen. Er fingert linkisch am Instrument, kratzt, klirrt und schrammelt darauf herum, und scheinbar weiß er kaum, wie man es sich richtig umhängt, so daß es ihm beim Konzert am Mittwoch abend sogar auf die Bühne fiel. Lindsay hat aber die ironische Pose des Dilettanten perfekt kultiviert und sich aus all seinen Defiziten einen eigenen, unverwechselbaren Stil gezimmert. Eine Offenbarung ist auch seine Stimme nicht, aber vielleicht steht er gerade deshalb als Frontman der „Ambitious Lovers“ am richtigen Platz in der Mitte der Bühne. Lindsay gab mit seinen schrägen Kratzern und der groben Stimme der ansonsten perfekt gespielten Popmusik den alles entscheidenden Kick. Sein Partner Peter Scherer, der fast alle Stücke komponiert hat, hielt sich derweil unauffällig am Bühnenrand und bediente seine Keyboards.
Die Musik der „Ambitious Lovers“ ist sehr kompakt und durcharrangiert und nach knapp anderthalb Stunden Spielzeit hat man das Gefühl, ein viel längeres Konzert gehört zu haben. Die wohldosierte Mischung aus brasilianischen Rhythmen, Westcoast-Pop und dem trocken vibrierenden Funk von New York geriet als intensiv swingende Tanzmusik (überall in den Stuhlreihen wippten und zuckten Beine, Schultern und Arme), und zugleich als ein sehr komplexes und intelligentes Jonglieren mit Stilen.
Obwohl die hochkarätigen Begleitmusiker der Plattenproduktion wohl zu teuer waren für die Konzerttour, spielte die vierköpfige Rhythmusgruppe mit Sängerin Audrey Martel und dem famosen Percussionisten Tony Mola (und ohne den erwarteten zweiten (?) Gitarristen) zeitweise die beiden Chefs an die Wand. Aber auch wenn der Groove immer lauter und heißer anrollte, waren die rhythmischen Feinheiten und geistreichen Pointen des Arrangements genau herauszuhören. Die drei Elemente der Band: der erdig swingende Rhythmus, der smarte Stilcocktail und Lindsay als genau passender Störenfried verschmolzen an diesem Abend zu einer mitreißenden Einheit. Willy Taub
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen