: Wegen Spionage lebenslang im Knast
■ Reformkommunisten wurden in der Ex-DDR mit der Holzhammermethode abgeurteilt/ Wer wegen eines Fluchtversuchs hinter Gitter kam, kann jetzt einen Antrag auf Anerkennung als politischer Häftling stellen
Bonn. Die Mauern des Hochsicherheitstraktes von BautzenII bei Dresden in der früheren DDR hatten die sozialistischen Machthaber vor Kommunisten schützen sollen. Ein Lehrer, der es mit der Ideologie des Marxismus-Leninismus allzu genau nahm, wurde 1982 wegen „Spionage“ zu lebenslänglicher Haft verurteilt.
In Bautzen verbrachte er sieben Jahre in strengster Isolierhaft. Kurz nachdem er im Dezember 1989 durch ein Gnadengesuch der Bundesrepublik auf freien Fuß kam, nahm er Kontakt mit der Stiftung für ehemalige politische Häftlinge in Bonn auf.
Nach dem Fall der Mauer im November 1989 seien die DDR-Bürger „explosionsartig ins Haus geströmt“, berichtet der Geschäftsführer der 1970 gegründeten Stiftung, Albrecht Beyer. Das Schicksal des Lehrers sei kein Einzelfall. „Gerade Reformkommunisten wurden mit der Holzhammermethode abgeurteilt.“ Viele, die unter dem 40jährigen SED-Regime hinter Schloß und Riegel geraten waren, hoffen jetzt auf ihre Anerkennung als „Politische“ nach dem Häftlingshilfegesetz (HHG) von 1955. Mit dem Einigungsvertrag zwischen der DDR und der Bundesrepublik wurde das HHG auf das Beitrittsgebiet ausgeweitet. Die Stifung nimmt Anträge entgegen und vermittelt zwischen dem Häftling und den Behörden. Die Anerkennung ist Ländersache.
In ihrer neuen Geschäftsstelle in Berlin, an die sich ehemalige DDR-Bürger wenden können, gehen täglich 300 Schreiben ein, 7.000 Anträge wurden schon gestellt. Eine unüberschaubare Zahl von Menschen im Osten Deutschlands könnte nach dem Gesetz Anspruch auf eine finanzielle Entschädigung haben.
Dazu gehören auch diejenigen, die in der früheren sowjetischen Besatzungszone interniert waren. So meldete sich jetzt ein Mann aus der früheren DDR, der als 13jähriger von den Sowjets verhaftet und in ein Lager gebracht wurde. Die einmalige Entschädigung wird erst für eine Haftzeit nach dem 1. Januar 1947 gewährt und nach der Anzahl der Haftmonate berechnet. Bei einer Inhaftierung von bis zu 24 Monaten werden pro Monat 80 Mark gezahlt.
Auch ungeklärte Fälle von Bürgern aus der alten Bundesrepublik werden nun wegen der besseren Beweislage wiederaufgenommen. Viele DDR-Bürger fielen der Willkürherrschaft der SED nach dem Bau der Mauer 1961 zum Opfer. Wer wegen eines Fluchtversuchs hinter Gitter kam, kann jetzt einen Antrag auf Anerkennung als politischer Häftling stellen. „Dies ist eine besonders große Gruppe“, schätzt Beyer. Andere wurden in der Zeit der Kollektivierungsmaßnahmen in der Landwirtschaft inhaftiert oder wegen Spionage verurteilt.
Oft sei jedoch schon am Haftmaß zu sehen, daß es sich nicht um wirkliche Spionage gehandelt habe, meint Beyer. Dazu hätte oft schon ein Besuch der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik in Ost-Berlin genügt.
Wer einem Berufsverbot zum Opfer fiel, ausgebürgert oder schikaniert wurde, hat nach dem HHG keinen Anspruch auf die einmalige Finanzhilfe. Die SPD hat in einer großen Anfrage kritisiert, daß entgegen dem Rehabilitierungsgesetz der DDR-Volkskammer vom September 1990 nur strafrechtlich Verfolgte berücksichtigt werden. „Das wären sonst einfach zu viele und die Kosten unabsehbar“, erklärt Beyer. dpa
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