: Geheimnis kaufen, rubbeln
■ Hermann Stuzmann stellt aus / Konzeptkünstler, Altrevoluzzer und bunter Hund
Der weiße Schlauch, auch als Ausstellungsraum der Galerie Gruppe Grün bekannt, war schon für viele ausstellende KünstlerInnen eine hilfreiche Provokation. Der Bildhauer, Installationsartist und Konzeptkünstler Hermann Stuzmann, Mitglied der Gruppe Grün seit 1974 und Mitchef des Künstlertreffs „Cafe Grün“, sperrt in seiner neuen Ausstellung einen Großteil der Galerie für den Publikumsverkehr. „Im Rahmen von Frau Schmidt oder bis zum Hals am Wasser“ lautet der kryptische Titel: Eine bemalte Riesenkiste, 156 m hoch (durchschnittliche Halshöhe), oben wasserbedeckt, nur zugänglich über einen schmalen Steg, der durch flaches Gewässer führt. „Nichts stimmt“, sagt Hermann Stuzmann, „das Wasser dient zu nichts“, es sei denn, die Betrachter auf eine Assoziationsebene zu katapultieren. Stuzmanns zweite Arbeit besteht aus vielen ganz kleinen Gemälden, die von je drei Rubbellosen überklebt sind. Dialektisches Konzept: Man kann entweder für 103 DM entweder ein Geheimnis kaufen (Was ist hinter den Losen? Habe ich gewonnen?) oder rubbeln und 50.000 DM gewinnen.
Die Arbeit an solchen Konzepten, d.h. Planung beschäftigt Stuzmann pausenlos. Steht wieder eine Ausstellung ins Haus (Breminale, Kampnagel in Hamburg, Noordkunst in Groningen etc.), verschwindet er in seiner „Werkstatt“ im Hinterzimmer des Cafes und ist streckenweise
Hier
bitte
den
Kunstraum
hin
Konzept „Hals am Wasser", Holz, Farbe, Wasser, begehbarFoto: Tristan Vankann
ungenießbar. „Dieser Prozeß ist eine Rauschgeschichte“, sagt er. Seine Konzepte raunen nicht, sondern sie verbinden sich mit der Person Stuzmann. Das macht seine Kunst authentisch.
Von regelmäßiger Arbeit von früh bis spät hält er nichts. „Das ist zu backstubenähnlich.“ Stuzmann, der von einem Kaff bei Hoya kommt, vom Bauernhof, ist nämlich gelernter Bäcker. Kunst half ihm, diesen engen Verhältnissen zu entkommen. Er ging nach Bremen, schlug sich als Fensterputzer, bei einer Bierfirma
und auf dem Bau durch und besuchte die Kunsthalle.
1968, als er von der Hochschule für Gestaltung aufgenommen wurde, war sogar dort einiges los; mit „revolutionären Künstlern“ versuchte er, „Kunst fürs Volk“ zu machen, organisierte den ersten und letzten Streik dort, druckte Flugblätter und trat dem KSB, der Studentenorganisation des KBW, bei.
Der ausgebildete Bildhauer erhielt Soziale Künstlerförderung, installierte mit bunten Latten und baute Objekte aus Polyester. Der
Mann mit dem flammroten Hennahaar, den Nietenstiefeln und Hund Franzl wurde in Bremen einer breiteren Öffentlichkeit (als Kommunist) bekannt, als es um seine Bunkerbemalung in Gröpelingen (“Liebe Hertha, nie wieder Krieg“) reichlich politischen Ärger gab. Heute lebt er von kleineren Aufträgen und dem Cafe Grün. Seine Marktferne, überhaupt die Abwesenheit von Kunstbetrieb in Bremen stört Stuzmann nicht: „Wenn mich Kommerz interessierte, würde ich Porsche verkaufen.“ Bus
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