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Freitag am Samstag

■ „Die Riesenpackung“, Samstag, 22.50 Uhr, ARD

Kaum hatten wir uns von dem Schock um Milli Vanilli erholt, versetzte uns die skrupellose Schlagerbranche einen neuen Tiefschlag. Durften wir uns gerade noch freuen, daß unser Kanzler endlich den verdienten Sprung in die Hitparaden geschafft hatte, stellte sich heraus, daß es gar nicht unser Helmut war, der da sülzte, die Welt sei schön. Doch nicht etwa ein reumütiger Produzent setzte uns von der arglistigen Täuschung in Kenntnis, sondern ein gewisser Thomas Freitag, der Imitator selbst. Und das ohne einen Anflug von Scham. Schließlich lebt der Kleinkünstler, den es einst sogar zum Kabarett drängte, seit geraumer Zeit von dem Mißverständnis, daß die unfreiwillige Komik mancher Platzhirsche sich noch steigern läßt, indem man sie freiwillig nachmacht. Aber da Kohl-Imitatoren neben Rheuma- Decken inzwischen zu den Attraktionen einer jeden Butterfahrt gehören, hat Thomas Freitag beizeiten nachgedacht und sein Programm (quantitativ) erweitert. Und wen er neben dem Monolithen aus Oggersheim und seinem bajuwarischen Obervater Franz Josef inzwischen noch so alles auf der Pfanne hat, darf anhand von Ausschnitten aus seinem neuen Programm heute abend im Ersten bestaunt werden. Nicht nur die gesamte Politriege 'rauf und 'runter, nein, auch Boris, Hans Moser und selbst Klaus Kinski geben sich in Gestalt des Tausendsassas Freitag ein Stelldichein. Das Reservoir ist schier unerschöpflich. Nur, bevor dieser Wolfgang Niedecken des deutschen Kabaretts auf die Idee käme, sich selbst zu parodieren, würde er es wahrscheinlich eher mit Vogelstimmen versuchen. Karl-Heinrich Brinkmann aus Paderborn braucht sich jedenfalls keine Sorgen zu machen, daß Thomas Freitag ihm heute abend seinen Platz als Chef-Satiriker streitig machen könnte. Er kann in aller Ruhe sein Wort zum Sonntag sprechen. Und vielleicht findet er ja auch noch Zeit für die Bitte, daß der liebe Gott uns noch recht lang „The real Helmut“ erhalten möge. Wenn auch nur als Entertainer. Reinhard Lüke

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