: Rückgabe von Eigentum ist Diebstahl
■ Radikale in CDU und FDP stellen die Bodenfrage/ Jürgen W. Möllemann — ein Wiedergänger von Karl Marx?
Berlin/Schwerin/Limburg (taz) — Der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, Alfred Gomolka (CDU), hat die Bundesregierung „dringend“ dazu aufgefordert, „sehr zügig die Eigentumsfrage neu zu entscheiden“. Dazu müsse notfalls auch das Grundgesetz geändert werden. Die vorgeschriebene Rückgabe von Grundbesitz statt einer Entschädigung stellt nach Ansicht Gomolkas das „letzte bedeutende Hindernis“ für Investitionen in den neuen Ländern dar, werde hier nicht „juristisch großzügiger“ verfahren, drohten nach Ablauf des Kündigungsschutzes „soziale Unruhen“. Gomolka schloß sich ausdrücklich Wirtschaftsminister Möllemann an, der ebenfalls die schnelle Entschädigung statt langwieriger Rückübertragung von DDR-Grundbesitz gefordert hat.
Als Volksschullehrer in der Ära Brandt wäre Möllemann mit derlei Verstaatlichungsparolen schnell unter ein Berufsverbot geraten. Daß er sie als Minister unter Kohl jetzt durchsetzen muß, um seinen Kopf bei der nächsten Wahl zu retten, zeugt von einer merkwürdigen Wiederkehr des Verdrängten: Der Kommunismus ist nicht tot, Marx und Lenin — die urkommunistische Wahrheit, daß ein Allgemeingut wie der Boden sowenig privatisierbar sein kann wie Luft und Sonne — haben in Möllemann und Gomolka ihre Wiedergänger gefunden. Beide haben betont, daß es nicht um die Gärtchen der Häuslebauer geht, sondern um den Großgrundbesitz vor allem von Industrieanlagen. Wie ihre heimlichen Vorbilder sehen sie darin das „letzte bedeutende Hindernis“, allerdings nicht auf dem Weg zum Kommunismus, sondern: zur Marktwirtschaft.
Wie dies? Die Auflösung der Planwirtschaft konfrontiert die Marktwirtschaft mit einer heiligen Kuh, die schon die Väter des Grundgesetzes und des Aalener CDU-Programms schlachten wollten: dem Dogma, daß der Privatbesitz von Boden etwas mit Marktwirtschaft zu tun habe. Die Neo-Marksisten in CDU und FDP knüpfen somit auch an Vorgänger wie Ludwig Erhard an, der in der Spekulation mit dem knappen Gut Boden große Gefahren für den Markt sah— und angesichts der astronomischen Bodenpreise in heutigen Ballungsgebieten mehr als bestätigt wird. Der Blick auf die Situation in der Bundesrepublik offenbart erst die ganze Radikalität der Möllemänner, denn auch hier gilt, was nur wegen der höheren Prosperität nicht zu sozialen Unruhen führt: daß privater Grundbesitz ein „bedeutendes Hindernis“ für eine wachsende (und nicht wuchernde) Wirtschaft ist. Wenn also hinfort der „Riesenstaatsmann“ (F.J. Strauß über Jürgen W.) die Sozialbindung des Eigentums zwecks Sanierung der Wirtschaft in Ost und West ernst nimmt und beinharte Enteignungsschrauben anlegt, gebührt ihm ein solidarisches: Möllemann, geh du voran! M. Bröckers
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen