: Vorlauf: Der Kamera-Choreograph
■ "Das fliegende Auge Michael Ballhaus in Amerika", West 3, 22.30 Uhr
Wenn sich Michael Ballhaus im Kreis dreht, geschieht es nicht aus Ratlosigkeit. Die Kreisfahrt seiner Kamera ist eine Spezialität, die Ballhaus fast schon manisch betreibt, wie er selbst zugibt. Als Kameramann von Rainer Werner Fassbinder hat er die 360-Grad-Fahrt um die eigene Achse entdeckt und bis zum Exzeß eingesetzt; inzwischen pflegt er sein Markenzeichen mit gebotener Zurückhaltung und in einer angemessenen Choreographie, zuletzt in dem Film Die fabelhaften Baker Boys mit einer hinreißenden Kreisfahrt um Michelle Pfeiffer herum, die auf einem Flügel tanzt und singt.
Ob es allerdings die ungewohnte Kamerabewegung ist, die Michael Ballhaus als einen der wenigen deutschen Kameramänner in Amerika so bekannt und gefragt werden ließ, bleibt die Frage. Das Filmporträt von Milan Pavlović gibt eine andere Erklärung für die steile Hollywoodkarriere von Ballhaus. Pavlović entdeckt einen engagierten Arbeiter, der mit deutscher Gründlichkeit an die Dreharbeiten geht und „seine Hausaufgaben macht“, um durch gut vorbereitete Aufnahmen ständige Wiederholungen einer Einstellung zu vermeiden. Neben dem Sinn für eine ökonomische Kameraführung gefällt den amerikanischen Regisseuren, daß Ballhaus nicht — wie viele amerikanische Kollegen — auf Anweisung dreht, sondern sich einmischt und Vorschläge für die Auflösung einer Szene einbringt. „Ich verstehe meinen Beruf als Partner des Regisseurs“, sagt Ballhaus, und erklärt damit das schlichte Geheimnis seines Erfolges.
Mit seinem Filmporträt gibt sich Milan Pavlović als Verehrer zu erkennen, aber er beläßt es nicht bei einer naiven Huldigung eines Mannes, der vier Filme für Martin Scorcese und weitere 14 US-Produktionen fotografiert hat. Der Zuschauer erfährt, wie sehr Ballhaus die langen Einstellungen liebt, die durch die Fahrt der Kamera die Menschen im Raum definieren. Aber er erfährt auch, wo Ballhaus' instinktives Gefühl für die Situation versagt — bei Landschaftsaufnahmen und Actionszenen. Ballhaus weiß das und geht solchen Aufgaben aus dem Weg. „Ich kann so wenig bestimmen, wenn ich tagsüber draußen drehe“, erklärt Ballhaus seine Abneigung gegen eine vorgegebene Situation und bestätigt damit, daß er eigentlich ein urbaner Kameramann ist.
Mit sympathischer Offenheit plaudert Ballhaus vor der Kamera über die Unterschiede des Kinos in Deutschland und Amerika, nur einmal verweigert er die Auskunft. Milan Pavlović will wissen, wie er die Szene ausgeleuchtet hat, die Paul Newmanns Spiegelbild auf der glattpolierten Oberfläche einer Billardkugel zeigt. Das bleibt ein kleines Geheimnis. Zu sehen ist der Billardtrick in Die Farbe des Geldes, den der WDR am 13.3. um 22.45 als Auftakt einer Filmreihe des Kameramannes Michael Ballhaus zeigt Jung und rücksichtslos, 20.3., 20.45 Uhr; Die Herzensbrecher, 27.3., 22.45 Uhr. Christoph Boy
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen