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Die Zeit drängt-betr.: "GAL hat keine Linken mehr", taz vom 4.3.91

Betr.: „GAL hat keine Linken mehr“, taz vom 4.3.1991

Wir schreiben das Jahr Eins nach Abspaltung des Grünen Forums von der GAL und der Selbständigmachung der Frauenfraktion (Mandatsklau), als sich die nächste innerparteiliche Detonation ereignete. Einmütig verließen 60 aktive GALierInnen die Partei, um noch rechtzeitig für die Bürgerschaftswahl eine systemoppositionelle „Alternative Liste“ zu gründen. Summa summarum macht das jetzt fünf Parteien links von der SPD, die an der Bürgerschaftswahl teilnehmen: GAL, PDS, Grünes Forum, Frauenratschlag und AL. Die Chancen für eine links-grün-alternative Repräsentanz in der Bürgerschaft sind gesunken, und Voscherau dankt herzlichst für die Selbstentsorgung.

Unglücklicherweise hat die Mitgliederversammlung der Verbliebenen einen Ausschließlichkeitsbeschluß gegen das Grüne Forum und die Frauenfraktion bzw. -ratschlag beschlossen. Als langjähriger GAL- MV-Besucher weiß ich, daß die Beschlüsse am Ende jeder MV emotional und nicht rational zu begründen sind. Die GAL bzw. die WILDEN 13 müssen jetzt zum einen etwa 100 Aktive und einige Angestellte der Landes- bzw. Stadtteilgeschäftsstelle ad hoc ersetzen, zum anderen ist die Auseinandersetzung mit den Fundis auf Bezirksebene noch nicht ausgestanden. Ich frage mich, wo die GAL nach diesem erneuten Aderlaß die Kraft hernehmen will, gegen vier andere Parteien links von der SPD einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen und in die Bürgerschaft einzuziehen. Das bei der GAL entstandene politisch-personale Vakuum ist nicht ad hoc äquivalent zu ersetzen. Dabei hat sie eine Aufstockung politischer Potenz bei der derzeitigen Lage bitter nötig.

Es geht nicht ohne Bündnisse. Die GAL muß über ihren Schatten springen, um Listenverbindungen einzugehen. Kann sie es sich überhaupt noch erlauben, Bedingungen zu diktieren? Gibt es in der GAL nur eine Streitkultur oder auch die Fähigkeit zur Konfliktlösung? Geht es nicht ums Überleben des Grünen Projektes?

Eine erfolgsversprechende Konstellation ergibt sich aus einem Bündnis von GAL, Grünem Forum und Frauenratschlag. Zusätzlich soll die Frauenfraktion zu einer gemeinsamen Fraktion des Zusammenschlusses werden. Das Bündnis ist zweckmäßig, weil erstens die drei Parteien in ihrer Programmatik fast deckungsgleich sind, weil zweitens alle drei ein dynamisches Verständnis von Gesellschaft haben, weil drittens entideologisiert, viertens gewaltfrei, fünftens koalitionsfähig und damit bereit sind, Verantwortung für gesellschaftliche Entscheidungen zu tragen, sie sechstens die einmalige politische Chance haben, die Parteien bzw. das Bündnis aufgrund historischer Erfahrungen umzustrukturieren, und, last not least siebtens, sie zu einer Toleranz und einer konstruktiven Auseinandersetzung mit anderen politischen Einstellungen fähig sind. Darüber hinaus wäre es ein Novum, daß in einer parlamentarischen Demokratie auf dieser unserer Erde ein Wahlbündnis schon vor der Wahl in der Hamburger Bürgerschaft vertreten sein würde. Hamburg hätte dann nach der (GAL-) Frauenfraktion seine zweite parlamentarische Weltneuheit. [...] Sondierungsgespräche finden trotz Ausschließlichkeitsbeschluß glücklicherweise schon statt. Es muß auf der nächsten MV über die parteipolitische Lage diskutiert werden, und es müssen auch VertreterInnen des Grünen Forums, Frauenratschlag und -fraktion die Möglichkeit haben zu sprechen. [...] E. Kauth-Kokshoorn, Hamburg

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