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PRESS-SCHLAGHackfleisch und Preßsack

■ Dynamo Berlin verliert in Weißwasser 2:3 und betet um Frankfurts Platz in der Eishockey-Bundesliga

Zusammen mit dem Exil-Weißwurstesser und Manager Lorenz (bayerisch: „Lenz“) Funk sollte Trainer-Opa Gerhard Kießling (68) beim EHC Dynamo Berlin die Geister des Abstiegs verscheuchen. Doch die Renaissance des Ruheständlers ging daneben: Am Freitagabend wurden ihm in der Lausitz die Filzpantoffeln um die Ohren gehauen. Und der Club des „alten Kieß“ fiel nach dem 2:3 in Weißwasser (sorbisch: „Bela Woda“) seelisch und sportlich in Souterrain-Tiefen: Bundesliga Zwei, Dynamo ist dabei. Oder nicht?

Der Rettungsanker liegt beim Deutschen Eishockey-Bund (DEB) auf dem grünen Tisch. Nach dem finanziellen Kollaps der Frankfurter Eintracht ist eine neue Abstiegsregelung gefordert. Aber nur der Mann im Mond weiß, wann man diese endlich ausgetüftelt hat. Reichlich spät, am 13. April nämlich, treffen sich die obersten Kufensport-Funktionäre in München zu einer außerordentlichen Mitgliederversammlung. Vielleicht fällt aber schon am morgigen Dienstag eine Vorentscheidung — denn da kommen die Vereinspräsidenten der ersten und zweiten Bundesliga zu einer konspirativen Sitzung zusammen. Dynamo dämmert derweil dahin (Kießling: „Wir können nur abwarten“), einige Spieler sehen sich nach anderen, erstklassigen Arbeitgebern um.

Wer zu spät zum spannenden Spiel kam, der hatte doppelt Pech. Erstens: Trotz Sitzplatzkarte war an ein Durchkommen bis zum vorbestellten Plastikstuhl nur mit Karate-Ausbildung zu denken — mehr als 3.000 Zuschauer füllten den Weißwasserschen Glaspalast. Zweitens: Thomas Graul, Dynamo-Stürmer, hatte wenig Einsehen mit jenen, die im Stau oder an der Imbißbude aufgehalten worden waren. Und denen, die drinnen waren, blieb die Bockwurst in der Kehle stecken, als Graul nach 31 Sekunden zum 0:1 einlochte.

Ein sportlicher Tiefschlag für PEV-Torwart Thomas Bresagk, der in Auswärtsspielen ständig mit verbalen Verunglimpfungen zu kämpfen hat: „Bresagk (oder Pressack) in die Metzgerei!“ und „Bresagk von der Schlachtbank!“ skandieren sie dort. Daheim in Weißwasser feiert man ihn. Ihn und sein Team. Die meisten tun dies kettenrasselnd, brüllend, auf die Pauke hauend — Trommeln in der Nacht. Andere begleiten das Puckgeschiebe eher ruhig-grummelnd. Wie ein kleiner älterer Herr mit Eisenbahnermütze, einer schwarzen Hornbrille und mächtigen Koteletten, die bis an die Kinnpartien herabreichten. Kundig kommentierte er das Geschehen auf dem glatten Geläuf. „Zehn zu eins müßte es für uns stehen“, moserte er nach dem ersten Drittel, das trotz Lausitzer Überlegenheit an die Gäste ging.

Berlin und sein Funk Lenz schöpften Hoffnung. In der Pause schlich der Bayer in sich gekehrt die Kabinengänge entlang. Sinnierte der Genießer über Weißwurst mit Senf? Unser Eisenbahner dachte bei seinem einzigen lauten Wutausbruch wohl eher an Hackfleisch. „Foulen“, schrie er mit zitternden Backenbart, als keiner den Berliner Steptänzer Hiller am Durchbruch hinderte. Weißwasser packte es mit sportlichen Mitteln: 1:1 (27.) Gebauer; 2:1 (41.) Ozellis. Genug? Nein. Berlin bockte, schaffte durch Kienaß den Ausgleich (50.). Dann griff der Eishockey-Gott ein: Zwei Sekunden vor dem Ende schüttete er einen Kübel Weihwasser über Weißwasser aus, lenkte Gebauers Geschoß in Bielkes Kasten und bescherte dem PEV ein Ende, das nicht einmal ein Schmalzschreiber wie Simmel hätte erdichten können.

Nur Old Kieß glaubte nicht an transzendentale Einflüsse, vielmehr an die profanen Mächte der niederen Intelligenz: „Das war Dummheit. Fünf Sekunden vor Schluß darf man im gegnerischen Drittel kein Bully verlieren.“ Wie dem auch sei: Die Zuschauer gingen nach der Schlußsirene hoch wie 3.000 HB-Männchen — und feierten den Torhüter: „Bresagk für Deutschland.“ Guten Appetit! Gerhard-Josef Fischer

Meister-Play-Off, Halbfinale, 5. Spieltag:Düsseldorfer EG — SB Rosenheim 7:4, Kölner EC — BSC Preussen Berlin 3:0. Damit stehen Düsseldorf und Köln im Finale.

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