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Der Krieg findet nicht statt

Gespräch mit Eddie Constantine über die Dreharbeiten mit Godard  ■ Von Thierry Chervel

Eddie Constantine wurde einem breiten Publikum Anfang der sechziger Jahre durch die „Lemmy Caution“- Filme bekannt. 1965 drehte er mit Jean-Luc Godard „Alphaville“. „Godard hat mich gewarnt. ,Nach diesem Film wirst Du nie wieder Lemmy Caution spielen.‘ Mir war das recht. Wir wollten es beide so.“ 25 Jahre danach spielt Eddie Constantine in Godards „Solitudes“ den alten CIA-Spion Lemmy Caution.

taz: Gestern haben Sie mir gesagt, daß es sehr schwer sei, einen guten Film zu machen.

Eddie Constantine: Etwas gut zu machen, ist immer schwer. Es gibt so viele Regisseure — besonders in Deutschland —, die überhaupt nicht wissen, wie man einen Film macht. Nichts. Aber sie mögen es, weil's Spaß macht, weil man Drinks und hübsche Mädchen hat. Besonders die Deutschen. Aber die Franzosen sind noch schlimmer. Da gibt es gar keine Regisseure mehr. Vielleicht Mnouchkine. Aber die macht jetzt Theater.

Vor 25 Jahren haben Sie mit Godard „Alphaville“ gedreht.

In Deutschland hieß der Film Lemmy Caution jagt Alpha 60, keine Ahnung warum.

Wie würden Sie die Arbeit mit Godard beschreiben?

Ich liebe es. Godard ist der größte von allen. Godard ist ein Genie. Seine Filme werden ewig bleiben. Wenn ich einen Film von ihm sehe, mag ich ihn sofort, fünf Jahre später mag ich ihn noch mehr, und fünf Jahre danach sogar noch mehr. Seine Filme werden immer besser. Wie ein Gemälde. Im Lauf der Zeit sieht man immer mehr.

Ich kenne viele Leute, die Godard nicht mögen. Er gilt als schwer verständlich.

Das stimmt. Vor ein paar Jahren war ich einmal in Marseille, wo ich in einem Film mitspielte. An einer Hotelbar traf ich Produzenten. „Wir haben soviel Geld mit deinen Lemmy- Caution-Filmen gemacht“, sagten sie zu mir, „wie konntest du nur einen Film mit diesem Idioten Godard machen? Denn er ist ein Idiot.“ „Das ist euer Geschmack“, habe ich geantwortet, „ich finde Godard großartig.“ Ich wollte keine Lemmy-Caution-Filme mehr machen. Wir wußten, daß wir Lemmy Caution umbringen. Niemand wollte mich mehr danach. Und das wirklich Seltsame ist, daß ich 25 Jahre danach in einem Godard-Film wieder Lemmy Caution spiele.

Einen CIA-Spion.

Einen alten CIA-Spion, ja. Man braucht ihn nicht mehr. Der Krieg findet nicht statt. Er ist frei. Also entschließt er sich, nach Westen zu gehen. Er geht zu Fuß. Er weiß den Weg nicht. Viele schöne Dinge geschehen ihm auf dem Weg. Er trifft Leute, spricht mit ihnen, er wird in schöne, sehr literarische, sehr intellektuelle Dialoge verstrickt. Es ist herrlich, die schönste Kameraarbeit. Godard kennt die deutsche Literatur besser als die Deutschen. Er kennt sie auswendig. Alle großen Schriftsteller, von Goethe bis Simmel — na, Simmel kennt er vielleicht nicht.

Godard gilt als sehr hart im Umgang mit Schauspielern.

Nein, gar nicht. Er regt sich auf. Aber wenn er jemanden engagiert, dann weiß er genau warum. Der Schaupieler von von Papen sieht genau aus wie von Papen. Und ich sehe genau aus wie Lemmy Caution. Vierzig Jahre danach. Er liebt die Schauspieler. Weil er die Geschichte kennt. Ich liebe das. Ich liebe die Details. Es ist so poetisch. Normalerweise mag ich keine Avantgarde. Ich gehe ins Kino, um mich unterhalten zu lassen. Aber seine Intellektualität kann ich verdauen. Ich sehe ihre Schönheit. Ich bin kein Intellektueller — nur ein kleines bißchen. Ich habe gelesen, das ist alles. Godard liebt die Arbeit, er kann nicht aufhören. Aber diesen Film liebt er noch mehr als viele Filme, die er zuvor gemacht hat. Vielleicht irre ich mich. Vielleicht ist er wütend, wenn er das hört. Aber es ist mein Gefühl.

Welches sind Ihre nächsten Projekte?

Ich habe keine Projekte. Ich habe neun Monate Dreharbeiten hinter mir. Drei Filme. Zwei sind von Bewunderern von Godard, ein dänischer und ein japanischer Regisseur, und einer ist von Godard. Der dänische Regisseur ist Lars van Trier, der Element of Crime gemacht hat, ein wunderbarer Film. Den neuen Film hat er gemacht, um Geld zu verdienen. Der Film hat ein Budget von acht Millionen Dollar. Der japanische Regisseur hat bisher nur Werbespots gedreht, die aber alle Preise bekommen haben. Er hat mich in Alphaville gesehen und wollte mich unbedingt haben.

Ich will Ihnen etwas erzählen. Letzte Nacht habe ich geträumt, daß ich den Oscar bekomme. Ich gehe auf die Bühne, um mich zu bedanken. Aber ich weiß nicht, was ich sagen soll. Da fällt mir etwas ein. „Geben Sie mir noch zehn Sekunden“, sage ich zum Publikum, „dann bin ich wach.“ Es war ein Traum im Traum.

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