piwik no script img

ARBEITENVONLUTZKOMMALEIN

DERAUSSTELLUNGS—TIP  ■  NOLI ME TANGERE

Die Geselligkeit des Künstlers kann sehr wohl mit Zurückgezogenheit, Abgeschlossenheit zusammengehen. Was man landläufig als »Flucht nach innen« bezeichnet, ist viel eher ein vergnüglicher Aufenthalt unter Gleichgesinnten, die durch irgendwelche Mißverständnisse zu Ruhm gekommen sind. Die andere Seite der Medaille ist die, daß ein naseweises Publikum aus dem, was es zu kennen meint, bei Jüngeren auf Plagiat und Epigonentum schließt. Bei Lutz Kommalein liegen die Vergleiche zu nah, als daß man sie verschweigen sollte. Schiele trifft sich mit Picasso und Brancusi, die freundliche Grüße alter Stammeskulturen überbringen. Wenn sich einer im Alter von 25Jahren entschlossen hat, an der Ostberliner Kunsthochschule zu studieren, muß er wohl einfach Kontakte zu anderen Leuten als den Dozenten gesucht haben. Wer hätte sich nicht lieber mit Paul Klee als mit dem Genossen Womacka unterhalten! Und entscheidend ist schließlich, was dabei herauskommt.

Die ausgestellten Plastiken halten eine eigentümliche Spannung zwischen dem kompakten Material der Schieferplatten und deren fragiler Aufstellung. Es scheint, daß sie wie Kartenhäuschen zusammenstürzen könnten und sich zugleich souverän über solchen Verdacht erheben. Die Titel sind nicht so wichtig wie die inhaltlich konsequent erfüllte Überschneidung von zeichenhaften Gebilden in archaischer Einfachheit mit der sinnlichen Wirkung des brüchigen Schiefers.

Ähnliche Effekte erreicht Kommalein in Prägedrucken, die dem Papier eine so unerwartete Plastizität verleihen, daß man auf den ersten Blick glaubt, polierte Marmortafeln vor sich zu haben. Andere Blätter werden mit Farbe bedruckt oder bemalt, meist in zarten Tönen, die ihnen den Reiz kostbarer Vergänglichkeit geben. Wieder überwiegen zeichenhafte Motive, die sich zu Erlebnisflächen summieren, in denen mir das Symbol einer kleinen Krone so unauffällig wie übergreifend auf die Königswürde der Kunst zu deuten scheint.

Die gegenständlicheren Aktzeichnungen, die sich ganz organisch in die Präsentation einfügen, werden von Verweigerungshaltungen dominiert. Die Figuren suchen sich hinter ihren Armen zu verbergen, riegeln sich mit vorgestreckten Händen ab. So hilflos diese Gesten wirken, bei denen die entblößten Körper sichtbar, angreifbar bleiben, schließen sie doch den Kreis zu der ähnlich zerbrechlichen Isolierung der Schiefer-Skulpturen. Ein sanfter Schmerz zieht sich durch die Ausstellung, Verletzungen werden spürbar, die nicht anders zu vermitteln sind als in der Kommunikation, die diese Kunst versucht. Man kann sich ihr aussetzen und sich ganz unvermutet aufgefangen fühlen.

Wer das selbst erleben will, hat noch bis 15.März Gelegenheit dazu, täglich von Montag bis Freitag 13 bis 18Uhr.

Nur 100Meter vom Prater entfernt ist auch noch bis zum 16.März (verlängert) in der Galerie Zielke die Ausstellung »Ebenen/Geschützte Orte« von Thomas Knoth zu sehen (Di-Fr 11-19, Sa 15-19Uhr). Fritz Viereck

GALERIEIMPRATER,KASTANIENALLEE100,1058

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen