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Premiere wurde zum Höhepunkt

Die neuen 4*400-Meter-Staffeln wurden bei der Hallen-WM der Leichtathleten zum vollen Erfolg Auch Sprinterin Ottey, Geherin Anders und Geher Schennikow glänzten mit neuen Weltrekorden  ■ Aus Sevilla Volkmar Hahn

Als der Chemnitzer Thomas Schönlebe Brust an Brust mit dem US-amerikanischen Schlußläufer McKay dem Ziel der 4*400-Meter-Staffel entgegenstürmte und ihn auf der Ziellinie niederrang, da stand das Fazit von DLV-Präsident Helmut Meyer schon fest: Die erste gesamtdeutsche Mannschaft bei internationalen Meisterschaften in der Leichtathletik war erfolgreich.

Auch für die fehlende zehnte Medaille an der Erfüllung des selbstgesetzten Solls hatte er eine Erklärung parat: Mit dem verletzt zu Hause gebliebenen Hochspringer Ralf Sonn und den grippegeschwächten Katrin Krabbe, Ronald Weigel und Ellen Kießling wäre auch die Meyersche Medaillenplanung aufgegangen.

Man kann der IAAF, dem Internationalen Leichtathletikverband, zur Entscheidung, die 4*400-Meter- Staffeln ins Weltmeisterschaftsprogramm aufzunehmen, nur gratulieren. Auch ohne deutsche Siege und Weltrekorde wären diese Entscheidungen wohl einer der Höhepunkte dieser Weltmeisterschaften geworden. So waren sie es erst recht.

„Die Halle hat eigene Staffelgesetze“, wußte der Chemnitzer Jens Carlowitz. Durch die kürzere 200-Meter-Bahn ist die Gefahr groß, ganz schnell von Rang eins bis weit nach hinten durchgereicht zu werden. In Sevilla beherrschte das deutsche Quartett, also die „Karl-Marx- Städter“ Rico Lieder, Jens Carlowitz und Thomas Schönlebe sowie der Berliner Karsten Just, die besonderen Gesetze eines Staffelrennens in der Halle perfekt.

Jens Carlowitz sah zwar beim letzten Wechsel noch etwas skeptisch drein, um dann wenig später zu erleben, wie eine Eigenschaft seines Mannschaftskameraden Thomas Schönlebe für den Sieg entscheidend wurde: „Ich weiß, wenn Thomas einmal am Gegner dran ist, dann gibt er alles.“ Der Ellenbogenkampf auf der Zielgerade blieb erfolgreich und bescherte Schönlebe „etwas ganz besonderes“ und Carlowitz „das größte sportliche Erlebnis seit der Wende“.

Trotz guter Finalchancen hatten die Deutschen aus Chemnitz in Sevilla auf Einzelstarts verzichtet und sich auf die Staffel konzentriert. Peter Dost zog hier die Lehre aus dem 88er Olympiajahr, als Thomas Schönlebe im Winter zu den Besten der Welt zählte, in Seoul jedoch knapp das Finale verpaßte. Auch oder vielleicht gerade weil es nur 400 Meter sind, ist der Verlust an körperlicher und vor allem auch an mentaler Stärke bei einem großen Rennen enorm. Peter Dorst und seine drei sächsischen Athleten wissen genau, daß für den Sommer trotz des Traumlaufes von Sevilla in Blickrichtung Weltmeisterschaft in Tokio noch zugelegt werden muß.

Lider, Carlowitz, Just und Schönlebe sind das Beste, was Deutschland über die 400-Meter-Strecke derzeit zu bieten hat. Die besten US-Viertelmeiler standen nicht in der Staffel von Sevilla und auch die starken Briten waren nicht dabei.

Den Männern hatten es die deutschen Frauen um die WM-Dritte über 200 Meter, Grit Breuer (Neubrandenburg), vorgemacht. Auch ihnen gelang die Verbindung zweier freudiger Ereignisse: Weltmeistertitel und Weltrekord. Wobei die Medaille mehr zählt, da die Viertelmeilenstaffel jahrelang aus den Wettkampfprogrammen der Leichtathleten verschwunden war. Vor drei Wochen beim Sechsländerkampf in Paris wurde die Weltbestzeit einer bundesdeutschen Staffel aus dem Jahre 1981 verbessert, deren 3:39 Minuten nur noch sportliches Mittelmaß darstellten. Deshalb wurde eine neue Bestleistung allgemein erwartet.

Das soll die Gratulation an die Veranstalter überhaupt nicht schmälern, mit den 4*400-Meter-Stafetten für zusätzliche Höhepunkte der III. Hallenweltmeisterschaften in der Leichtathletik gesorgt zu haben.

200 Meter: 1. Antonow (Bulgarien) 20,67 s, 2. Christie (Großbritannien) 20,72, 400 Meter: 1. Morris (Jamaika) 46,17 s, 800 Meter: 1. Ereng (Kenia) 1:47,08 min... 5. Dehmel (Feuerbach) 1:50,58, 3.000 Meter: 1. O'Mara (Irland) 7:41,14 min, 2. Boutayeb (Marokko) 7:43,64, 4*400 Meter: 1. Bundesrepublik 3:03,05 min (Weltrekord), 2. USA 3:03,24, 5.000 Meter Gehen: 1. Schennikow (UdSSR) 18:23,55 min(Weltrekord), Hochsprung: 1. Conway (USA) 2,40 m, Dreisprung: 1. Lapschin (UdSSR) 17,31 m... 5. Mai (Neubrandenburg) 16,74,

200 Meter: 1. Ottey (Jamaika) 22,24 s (Weltrekord), 2. Sergejewa (UdSSR) 22,41, 3. Breuer (Neubrandenburg) 22,58, 4. Thomas (Sindelfingen) 22,94, 400 Meter: 1. Dixon (USA) 50,64 s, 800 Meter: 1. Wachtel (Neubrandenburg) 2:01,51 min, 1.500 Meter: 1. Rogachowa (UdSSR) 4:05,09 min... 6. Mai (Neubrandenburg) 4:07,30, 4*400 Meter: 1. Bundesrepublik 3:27,22 min (Weltrekord), 2. UdSSR 3:27,95, Kugelstoßen: 1. Sui (China) 20,54 m... 4. Storp (Wolfsburg) 19,43, 6. Neimke (Magdeburg) 18,77.

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