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“Nichts los“, aber prima dabei

■ Buten & binnen „Wie geht das?“ Eine Live-Reportage aus dem Bauch der Bestie

Guten Morgen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ich befinde mich hier im Fernsehstudio von Radio Bremen, mitten im Bauch der Bestie sozusagen. Für unsere Sendung „Wie geht das?“ haben wir uns heute bei den Fernsehleuten von buten & binnen eingeladen. Allabendlich flimmert das beliebte regionale Fernsehmagazin über jeden zweiten Bildschirm in Bremen, aber nur die wenigsten von Ihnen werden wissen, wieviel Engagement die Macher und Macherinnen täglich aufbringen, um ihren bundesweit herausragenden Ruf immer wieder zu beweisen.

Im Moment haben sich gerade 20 Mitarbeiter zur Redaktionsitzung zusammengesetzt. Kurz wird noch einmal über die Sendung von gestern geredet, in der ohne Zweifel der Beitrag über die zunehmende Beliebtheit von 3 D-Brillen das absolute Highlight war. Lobende Erwähnung findet auch das Stück über die Hundehalterin bei Cuxhaven, die ihren Köter zum Ärger der Jäger immer unangeleint über die Äcker rennen läßt. Das sind Themen, dran an den Dingen die die Menschen bewegen.

Ein Blick in die Presse zeigt, daß den Fernsehleuten nichts entgangen ist. Ein Parkhaus für 40 Millionen unter der Bürgerweide — Peanuts. Unhaltbare Zustände im Sozialamt — Langeweile. Die Arbeiterkammer will ihre guten Geschäfte mit der Weiterbildung ausbauen — noch so'n Quatsch. Der Dauerbrenner Verkehrspolitik — ist ja wohl nur noch blöd. Eigentlich, so regt eine Mitarbeiterin an, müßten wir doch mal ein Stück machen, warum in Bremen nichts los ist. Die Kollegen sind begeistert.

Meine lieben Zuhörer. Wir werden jetzt die Kollegin bei den Recherchen zu ihrem Beitrag begleiten und Ihnen schildern, wie aus einer solchen Idee ein prickelnes Stück Fernsehen wird. „Warum ist in Bremen nichts los?“, lautet unsere Frage, und dazu muß man natürlich Politiker und die Kollegen von den anderen Medien befragen. Doch schon beim ersten Besuch gibt es ein Problem. Der Kollege von der Zeitung, muß zwar erst einen kleinen Moment überlegen, aber dann widerspricht er. „Es ist was los“, sagt er und bringt Beispiele.

Auf zur nächsten Station: Doch wo man sich auch blicken läßt, bei CDU, FDP und Grünen, nichts als Ignoranten mit einer blöden Gegenfrage: „Wieso ist in Bremen nichts los?“ Doch die Reporterin läßt sich nicht irre machen. Auf geht es in die Hochburg der Langeweile, ins Rathaus. Dort läuft gerade eine Pressekonferenz, auf der der Bürgermeister verkündet, daß er den Bau- und den Innensenator entmachtet hat und ab sofort Bremens oberster Verkehrsplaner ist. Die Reporterin steht derweil am Rande der Pressekonferenz herum und überlegt unbeirrt, warum in Bremen nichts los ist.

So, liebe Hörer, wir sind jetzt vier Stunden durch die Stadt gerast, und Sie können mir glauben: Es ist wirklich nichts los. Jetzt muß die Reporterin nur noch das Material bearbeiten, um ihre Ausgangsthese zu belegen. Gut, bei den Politikern, da ist nichts zu machen, die sind betriebsblind, die müssen ja qua Beruf das Gegenteil behaupten. Aber da ist doch noch die Szene mit dem Kollegen, der vor seiner Antwort die lange Pause gemacht hat. „Die Antwort schneiden wir 'raus, die Pause lassen wir stehen,“ gibt die Reporterin Regieanweisung. „Und das Ganze garnieren wir noch mit einem politischen Beobachter der nun wirklich unwiderlegbar ist, dem Roland.“

Der Roland gähnt, die Kollegin freut sich, das Stück geht über den Bildschirm und wieder ist ein Tag bei buten & binnen zuende. Ein Tag, an dem buten & binnen erneut bewiesen hat, daß prickelnder Journalismus selbst dann möglich ist, wenn die Wirklichkeit schon längst nichts mehr hergibt.

Und zum Schluß verrate ich Ihnen, liebe Hörerinnen und Hörer ein kleines Geheimnis: Morgen abend wird das Bremer Lokalfernsehen wieder ein heißes Eisen anfassen. „Sind in Wirklichkeit alle Bremer tot?“, lautet die Frage. Lassen Sie sich überraschen. Guten Abend und Auf Wiederhören.“ Holger Bruns-Kösters

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