: Müllskandal — der Senat mittendrin
■ Bausenat lagert Sondermüll quasi auf der Straße/ Polizei und Feuerwehr entdecken 25 leckende Gift-Container, nach denen gefahndet wurde
Moabit. Der Skandal um die verschwundenen Container, die Blausäure und Kohlenwasserstoffe enthalten, weitet sich aus. Das Dezernat für Verbrechensbekämpfung der Polizei hat gestern vermutlich einen Teil oder alle Container gefunden, die Ende letzten Jahres auf einem Betriebsgelände der Berliner Stadtreinigung (BSR) in Reinickendorf verschwunden waren. In ihnen sollen diejenigen Giftstoffe enthalten sein, die beim Waschen von 2.000 Tonnen Blausäure und kohlenwasserstoff- belasteter Erde angefallen waren. Die verseuchte Erde war 1987 entdeckt worden, als die Bauarbeiten für das Eisstadion in Wilmersdorf begannen, und enthielt per Kilo Boden 1,8 Gramm Blausäure und über 27 Gramm Kohlenwasserstoffe.
Die Container sind von der Bauverwaltung auf einem senatseigenen Gelände im Westhafen abgestellt worden. Dort befinden sich insgesamt über 100 Container, die bis zum Rand mit Sondermüll gefüllt sind und wasserdicht sein müßten. Doch offene Containerwannen sind lediglich mit löchrigen Planen abgedeckt, andere Stahlkästen sind nicht einmal verschlossen — aus jedem vierten tropft es, stellten Polizeibeamte gestern fest. Niemand weiß, welche Giftstoffe in der Flüssigkeit enthalten sind, die zwischen Pflastersteinen versickert. Die Container dürften nicht einmal dann auf dem Kopfsteinpflaster stehen, wenn der Müll (alles kontaminierter Boden) ordnungsgemäß verpackt wäre. Denn: Sondermüll darf den entsprechenden Gesetzen zufolge nur auf dafür präparierten Flächen gelagert werden.
Nach der Entdeckung rückte die Feuerwehr gestern mit zwei Spezialwagen an. Mit Hilfe besonderer Ausrüstung kann Öl und Säure gebunden oder abgesaugt werden. Mit dem Vertreter der Bauverwaltung kam es zum Streit, als ein Mitarbeiter der Umweltverwaltung vorschlug, die Container vorerst provisorisch auf einer wasserdichten Plane abzusetzen. Hans-Joachim Kaufmann, Leiter der Ordnungsabteilung für Bauabfallentsorgung in der Senatsbauverwaltung, wollte darauf den Angestellten der Senatsverwaltung für Umweltschutz des Platzes verweisen, unterließ dies dann aber doch.
Nach Kaufmanns Angaben seien die Lecks ungefährlich, da in den Containern nur schwer wasserlösliche Gifte enthalten sein sollen. Der Vertreter der Wasserbehörde ging allerdings davon aus, daß das austretende Leckwasser »höchst gefährlich« sei. Kaufmann ist in der Bauverwaltung maßgeblich an der Genehmigung von Giftmüll-Transporten beteiligt, und ihm ist vermutlich auch bekannt, in welchem Zustand das angebliche Zwischenlager im Westhafen ist. Der taz gegenüber wollte er allerdings nicht erklären, wieso der Senat dort widerrechtlich Sondermüll lagert. Dirk Wildt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen