: Der fliegende Kohlenstoff: Ruß ist nicht gleich Ruß
■ Hamburger Meteorologen und Mainzer Chemiker der Max-Planck-Gesellschaft streiten sich über die regionalen Folgen der Ölbrände
Im Kern dreht es sich um den Kohlenstoff — genauer um das Verhalten der Kohlenstoffpartikel, aus denen der Ruß der brennenden Ölquellen am Golf besteht. Die Rede ist vom Streit der Wissenschaftler über die Auswirkungen der Ölbrände am Golf. 765.000 Tonnen dieses Rußes sollen täglich am Golf aufsteigen und den Himmel von der Türkei bis in die Emirate verdunkeln.
Die Forscher des Hamburger Max-Planck-Instituts für Meteorologie vertreten seit Wochen mit Verve ihre Theorie der Regionalkatastrophe. Andere Wissenschaftler, allen voran die des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz, melden Zweifel an der „relativ“ beruhigenden Botschaft der Hamburger an.
Der Ruß würde nach dem Hamburger Szenario vom Himalaja bis nach Somalia und in die Türkei abregnen, jedoch das globale Klima nicht beeinträchtigen. Auch wenn man in Grenzen an den Parametern drehe, verändere sich das Gesamtergebnis nur geringfügig, so Ulrich Cubatsch vom Forschungsteam. Die Hamburger nehmen an, daß am Golf gleichmäßig über das Jahr verteilt eine kuwaitische Jahresproduktion verbrennt — 80 Millionen Tonnen.
Beim Parameter „brennende Ölmenge“ schweben die Veränderungen allerdings bereits als Ruß in der Luft. Nach Berichten soll am Golf dreimal soviel Öl verbrennen wie früher gefördert wurde. Vor allem lodern wesentlich mehr Quellen als die Kuwaitis zuletzt nutzten. Die betroffene Region bleibt dennoch dieselbe, beharrt Cubatsch. „Der Eintrag an Schadstoffen in der Region wird allerdings erheblich größer.“ Mehr schwarze Wolken, sauren Regen und „Supersmog“ also in Bahrain, den Emiraten und dem Iran, aber kein Rußfilm auf dem Männeken Piß in Belgiens Hauptstadt.
Erste Beobachtungen scheinen den Hamburger „Optimisten“ Recht zu geben. Piloten sollen oberhalb der Rußwolken schon in vier Kilometern Höhe klare Sicht haben. Der Ruß scheint nicht in die Stratosphäre aufzusteigen und hat damit auch keine globalen Auswirkungen. Cubatsch gibt jedoch zu, daß in Regionen mit anderen klimatischen Verhältnissen die Folgen solcher Brände viel gravierender hätten sein können. Gerettet habe den Globus das spezifische Wüstenklima: In Wüstenregionen bewege sich die Luft von oben nach unten, eine ständige Inversionswetterlage, die wie ein Deckel über dem aufsteigenden Ruß wirke.
Das Modell der Hamburger ist dennoch mit erheblichen Unsicherheiten belastet. Die Gravierensten beziehen sich auf das Verhalten des bei den Bränden freiwerdenen Rußes. Die kugelförmigen Rußteilchen, von denen die Hamburger ausgehen, würden wesentlich weniger kurzwellige Strahlung und damit Wärme einfangen als zerklüftete Rußteilchen, argumentiert Christoph Brühl vom Mainzer Max-Planck-Institut für Chemie. Führt der Kohlenstoff durch seine größerer Oberfläche mehr Wärme mit sich, muß regional mit schlimmen Temperaturstürzen gerechnet werden.
Die Kritik bekommt eine besonders pikante Note durch erste Rechnungen des Hamburger Instituts. In denen ist die Wärmeführung des Kohlenstoffs um den Faktor 100 (zu) hoch angesetzt worden. Die Ergebnisse, bekannte Hartmut Graßl, Leiter des Hamburger Instituts, Mitte Februar seien erschreckend, so daß man an Rechenfehler glaube.
Paul Crutzen vom Mainzer Institut, bezweifelt, daß der Kohlenstoff schnell, wie die Hamburger annehmen, abregnet. Der Ruß sei zunächst gar nicht wasserlöslich und müsse quasi von den Regentropfen mit herabgerissen werden. Wenn er aber länger in der Atmosphäre bleibt, kann er vom Wind über größere Strecken mitgenommen werden. Insgesamt ständen die Forschungen über das Verhalten des Kohlenstoffs in der Atmosphäre noch ganz am Anfang. Auch Ruprecht Jaenicke, Aerosolforscher in Mainz, hält es für denkbar, daß Teile der Kohlenstoffpartikel sich zwischen Regenschauern wesentlich weiter „durchschmuggeln“. Welche Folgen die Brände für den indischen Sommermonsun haben werden, beurteilen beide Seiten noch vorsichtig. Die Hamburger glauben: „Auch wenn erheblich mehr Öl in Kuwait verbrennt, wird der indische Sommermonsun nicht signifikant beeinflußt. Es könnte zwar Effekte geben, aber die bleiben immer noch unterhalb der natürlichen Schwankung“, so Cubatsch. „Total ausbleiben wird der Monsun nicht“, meint auch Crutzen. Aber er glaubt, daß die meteorologischen Systeme der Region durcheinandergeraten sein könnten. Hermann-Josef Tenhagen
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