Wessi-Bankräuber mit Ost-Beute gefaßt

■ Rasante Steigerung von Straftaten im Osten in verfälschter DDR-Statistik begründet

Gera. Nur knappe vier Monate konnten sich vier Nürnberger an ihrer „fetten Beute“ erfreuen, die sie im November 90 in der Sparkasse des thüringischen Städtchens Mühltroff machten. Der Leiter der Staatsanwaltschaft Gera, Oberstaatsanwalt Dieter Anders, konnte stolz die Festnahme mitteilen.

Die Spur der Ermittlungen führte aus Gera zuerst nach Belzig in Brandenburg, wo das identifizierte Fluchtfahrzeug gestohlen worden war. Sie endete in Nürnberg, wo mehrere Hinweise auf tangierende Delikte vorlagen. Kriminalistische Kleinarbeit und ein von den Übeltätern wohl nicht vermutetes problemloses Zusammenwirken der Polizei in Thüringen und Bayern sorgten dafür, daß vier Tatverdächtige vor wenigen Tagen ermittelt und in Nürnberg inhaftiert werden konnten. Ein Teil des in Mühltroff erbeuteten Geldes wurde beschlagnahmt.

Der Oberstaatsanwalt wertete den Fahndungserfolg vor dem Hintergrund von jüngsten Presseveröffentlichungen über steigende Kriminalitätsraten und will der Beunruhigung der Menschen entgegenarbeiten. Weder gäben die verbreiteten Zahlen — für Ostthüringen weisen sie eine Verdreifachung aus — ein reelles Bild wieder, noch stünde die Polizei der Entwicklung ohnmächtig gegenüber, betonte Anders.

Die Anzahl der Delikte heute denen von vor einem Jahr gegenüberzustellen hieße, „Äpfel mit Birnen zu vergleichen“. „In der DDR wurden Zahlen zur Kriminalitätsentwicklung bewußt verfälscht“, konstatierte er. So stünden nach den Untersuchungen einer Projektgruppe Kriminologie den im „Statistischen Jahrbuch der DDR“ angegebenen 119.000 Straftaten für 1988 mehr als 393.000 angezeigte gegenüber. Auf „Anweisung von oben“, so Anders, wurden beispielsweise mehrere Anzeigen gegen „Unbekannt“ zu einer zusammengefaßt oder „Fahrraddiebstähle gar nicht als Delikt gezählt“. Die Kriminalitätsrate lag nach Ansicht des Oberstaatsanwaltes in der ehemaligen DDR höher als offiziell angegeben. Er konstatierte jedoch tatsächliche Steigerungen in einzelnen Bereichen, so bei Raubüberfällen.

In Ostthüringen, so Kriminalhauptkommissar Ottmar Zimmermann, wurden seit dem 1.7.1990 dreizehn Überfälle auf Banken und Sparkassen verübt. Im Territorium des ehemaligen Bezirkes Gera konnten bisher fünf aufgeklärt werden, zur Aufklärung von drei weiteren im Raum München trugen die Thüringer Kriminalisten durch ihre Ermittlungen ebenfalls bei. adn