: Wer nicht fernsieht, stützt Bush
■ US-amerikanischer Medienkritiker zu Zensur und Manipulation im Golfkrieg
“Zensur im Golfkrieg — gibt es Gegenwehr?“ zu diesem Thema hatte das neugegründete „Netzwerk Alternative Publizistik“ gestern Martin A. Lee, Journalist, Fernsehkommentator, Dozent und Kritiker aus New York eingeladen. Lee gehört der Institution „Fair“ (“Fairness und Accuracy in Reporting“), an - einer unabhängigen, medienkritischen Organisation, die Quellenzensur und Militärpropaganda kritisch beobachtet. Lee war 1986 Mitgründer von „Fair“, die ausschließlich nationale Medien in den USA analysiert.
In einer Umfrage hatte „Fair“ versucht, in der US-Bevölkerung den Zusammenhang zwischen der Haltung zum Golfkrieg und Kenntnissen über den Nahen Osten — zu untersuchen. Kommunikationswissenschaftler aus Massachusetts kam dabei zu dem Ergebnis, daß die Menschen, die weniger fernsehen, auch weniger über die Golfregion wußten. Die solcherart „unwissende“ Bevölkerung habe größtenteils die Politik Bush's unterstützt.
Die Zensur im Golfkrieg war in der USA strenger als in Vietnam und im 2. Weltkrieg, berichtet Lee. Viele Journalisten hätten zwar die Zensur angeklagt, alle größeren Medien sich dieser Anklage aber enthalten. Größere Medieninstitutionen seien „Komplizen der Zensur“, also auch Komplizen der Regierung. Das habe sich vor allem in der Fernsehberichterstattung abgezeichnet. Bei Diskussionsrunden kamen hauptsächlich „Experten“, etwa ehemalige Mitarbeiter der Regierung, Militärangehörige, zu Wort. Die den Krieg eher ablehnenden Gruppen, wie Lateinamerikaner und Frauen (90 % der Amerikanerinnen waren gegen den Krieg) blieben außen vor, erzählt Lee.
Ein typisches Phänomen für Amerikas Berichterstattung sei das Nichterwähnen wichtiger Nachrichten. Stattdessen seien für die Regierung wichtige Standpunkte permanent wiederholt worden — propaganda-artig. Und das gelte, so Lee, nicht nur für die Berichterstattung während des Krieges, sondern auch für andere, insbesondere soziale, Themen. Die Interessen von Randgruppen würden in den Medien stark vernachlässigt. Statt von den eigentlich Betroffenen werde wieder die Meinung sogenannter Experten vertreten, und es mache sich die Voreingenommenheit von Journalisten breit — auch dies eine Art von Zensur.
Das Dilemma bestehe u.a. darin, daß die Journalisten großer Zeitungen „zu nahe an der Macht“ stünden und gewissermaßen Verbündete der Regierung seien.
„Fair's“ Medienkritik sei nicht gegen die Regierung gerichtet, will aber auf unterbliebene Nachrichten aufmerksam machen. Neben Untersuchungen zur kritischen Medienanalyse hält „Fair“ eine enge Verbindung zu Minoritäten, um deren Interesse präsentieren zu können. „Fair“ verschicke z.B. „hinterbliebene Nachrichten“ an circa 50 Zeitungen verschickt. Bleibt dies ohne Resonanz, treten Telefonketten in Aktion: Dutzende rufen dann die Zeitung an und kritisieren deren Arbeit.
Kerstin Reinke
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