: Soldaten müssen auch töten dürfen
■ Regierungsvertreter und Militärs für einen weltweiten Einsatz deutscher Soldat
Soldaten müssen auch töten dürfen Regierungsvertreter und Militärs für einen weltweiten Einsatz deutscher Soldat
Die Soldaten sind den weitverbreiteten Gefühlen der Bevölkerung gefolgt und haben den Gedanken an Krieg, Tod und Verwundung zu weit in den Hintergrund geschoben.“ Noch vor einem Jahr hätte dieser als Vorwurf gemeinte Satz des Generalinspekteurs der Bundeswehr breite Empörung und wahrscheinlich die Forderung nach seinem Rücktritt hervorgerufen. Wellershoffs — an Beschimpfungen der Friedensbewegung durch Schmidt (Hamburg) Anfang der achtzigerJahre erinnerndes — Jammern über die „Weinerlichkeit der Deutschen“, denen „der sicherheitspolitische Konsens abhandengekommen“ sei sowie „das Ausleben der Angst, nicht aber ihre Überwindung zur nationalen Tugend geworden“ sei — all diese Äußerungen hätten in die vor zwölf Monaten noch herrschende deutsch-deutsche Vereinigungs- und gesamteuropäische Entspannungseuphorie nicht gepaßt. Genausowenig wie die klar auf seinen Vorgänger Altenburg gemünzte Mäkelei des Generalinspekteurs, die höheren militärischen Vorgesetzten hätten in der Vergangenheit „nicht deutlich genug gesagt, daß zum treuen Dienen auch das tapfere Verteidigen“ gehöre. Wellershoffs unglaubliche Bemerkungen stießen bei den 480 Generälen und Admirälen auf der diesjährigen Kommandeurtagung der Bundeswehr überhaupt nicht und in der Öffentlichkeit kaum auf Widerspruch — von der SPD-Politikerin Renate Schmidt einmal abgesehen. Das zeigt, was sich seit dem 2. August 1990 verändert hat. Die militärische Führung sieht sich in der Offensive, beklagt offen die durch die Nichtteilnahme deutscher Soldaten am Golfkrieg „verpaßten Chancen“ und fordert unverhohlener als je zuvor, das Mitkämpfen bei künftigen Waffengängen durch eine schnelle Veränderung der Verfassung zu ermöglichen. Kaum haben andere Staaten wieder einmal vorgeführt, daß Soldaten nicht nur „potentielle Mörder“ sind, fordert Wellershoff, auch Bundeswehrangehörige hinaus in die Welt zum Töten und in den Tod zu schicken. Just am Tag der Aufhebung des Frankfurter Soldatenurteils geht er damit über seine Rolle als oberster „potentieller Mörder“ dieser Republik hinaus — obwohl er selber genausowenig auf einem Schlachtfeld kämpfen wird, wie die Söhne und Töchter von 531 der 535 Mitglieder des US-Kongresses an den Golf mußten. Die Äußerungen von Kohl und Stoltenberg auf der Kommandeurtagung lassen keinen Zweifel mehr daran, daß die Bundesregierung den Forderungen der militärischen Führung zu folgen gedenkt und die grundgesetzliche Ermöglichung von Bundeswehreinsätzen weit über den Rahmen der UNO hinaus anstrebt. Andreas Zumach
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen