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Freispruch nach Bomben auf 'Satanische Verse‘

London (taz) — Der iranische Student Mehrdad Kokabi (34) ist am Dienstag vor dem Londoner Gericht 'Old Bailey‘ freigesprochen worden und soll nun deportiert werden. Kokabi stand vor Gericht, weil er 1989 im Zuge der Kampagne gegen den britisch-indischen Schriftsteller Salman Rushdie Bomben- und Brandanschläge auf Buchläden des Penguin- Verlags in Großbritannien verübt haben soll. Der Verlag hatte im Januar 1989 die „Satanischen Verse“ veröffentlicht, für die Rushdie vom inzwischen verstorbenen Ayatollah Khomeini mit dem Todesurteil, der „fatwa“, belegt worden war.

Die Polizei hatte auf einem Benzinkanister sowie auf der Verpackung einer Bombe Kokabis Fingerabdrücke gefunden. Der erste Prozeß im Januar platzte jedoch, nachdem neun iranische Entlastungszeugen bei der Anreise auf dem Londoner Flughafen Heathrow verhaftet und verhört worden waren. Zwar erhielten sie schließlich Einreisevisa, verließen Großbritannien jedoch aus Angst vor weiteren Repressalien mit dem nächsten Flugzeug und blieben auch der neuen Verhandlung am Dienstag fern. Richter Kenneth Richardson wies die Befürchtungen der Zeugen als „grundlos“ zurück. Er räumte allerdings ein, daß die Verteidigung Kokabis im wesentlichen auf ihren Aussagen beruhte und stellte das Verfahren ein. „Das ist ein äußerst ungewöhnlicher Fall“, sagte Richardson. „Ich bezweifle, daß eine ähnliche Situation nochmals auftreten könnte.“

Die Freilassung Kokabis ist — trotz der immer wieder betonten „Unabhängigkeit“ britischer Gerichte — eine politische Entscheidung. In der Vergangenheit hatten in Teheran wiederholt Solidaritätsdemonstrationen für Kokabi stattgefunden. Britische Politiker rechnen nun im Gegenzug mit der Freilassung einer der drei britischen Geiseln im Libanon, Terry Waite, John McCarthy und Jackie Mann, oder des Geschäftsmanns Roger Cooper, der seit 1986 wegen angeblicher Spionage in einem Teheraner Gefängnis sitzt. Der Tory-Abgeordnete Robert Adley hält „Kokabis Schicksal für einen Faktor für das Schicksal Coopers und unserer drei Geiseln“. Der Nahost-Korrespondent des 'Independent‘, Robert Fisk, warnte jedoch vor zu großem Optimismus und zitierte einen der Hizbollah nahestehenden Libanesen: „Eine sofortige Freilassung der Geiseln würde den Eindruck erwecken, der Iran belohne die USA für den Golfkrieg“. Ralf Sotscheck

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