: Tote Igel mit Bier
■ Zur Autovision in der Stadthalle: ADAC denkt an die Opfer/Kunsthalle: Königpilskunst
Auch beim zähesten Autonarren besteht mittlerweile der Bedarf nach einer Prise Kritik, ja vielleicht sogar nach dem feinen Duft von Selbstkritik, ohne den der Ampelspurt nicht mehr so recht schmecken will. Der Narr kann bedient werden: Die diesjährige Autovision in der Stadthalle bietet im Eingangsbereich eine ganze Serie äußerst KFZ-kritischer Kunstwerke. Die Sammlung stammt vom ebenfalls als konstruktiv autokritisch bekannten ADAC aus München. Zu sehen sind: Plattgefahrene Igel auf Leinwand (Originalkadaver), ein Jogger mit Straßenmarkierung auf dem Körper, kleine Arrangements mit Spielzeugmotorrädern und Ölschinken mit Plüschsessel, von brennenden Autowracks flankiert. Ein paar Namen? Beuys, Hundertwasser, Rauschenberg, H.A.Schult und — zig andere. Und: Der Bremer Farbstiftvirtuose Tilman Rothermel. Autovisionsveranstalter Klaus Peter Schulenberg hat dem ADAC aus Dank einen Rothermel geschenkt, Titel „Öl“; eine feinsinnige Reaktion auf den Golfkrieg. Pikant am Rand: Zur Eröffnung am Mittwoch bekannte der notorische Ausstellungsmacher und Sponsorenkenner Prof. Klaus Honnef öffentlich, im Auto seine ersten sexuellen Erfahrungen gemacht zu haben. Das als eine Erklärung für das erhebliche künstlerische Interesse am Automobil seit den 60ern.
Ebenfalls industrienah präsentiert sich ab Sonntag die Kunsthalle. Was Sie schon immer zum Thema „Kunst und Bier“ erfahren wollten, hier ist Ihre Chance: Die Duisburger Brauerei, die das „König Pilsener“ verzapft, darf sich mit der firmeneigenen, umfangreichen Sammlung vorstellen — der „Sammlung Junge Kunst“. Der Industriekontakt kam durch Kunsthallenchef Siegfried Salzmann zustande, der seit 1970 dem Familienbetrieb als Jurymitglied dient und der dort in der beneidenswerten Lage ist, relativ unangefochten über einen Etat „in sechststelliger Höhe“ zu verfügen. Neben Brauereigäste- und Imagepflege dient die Kunst in der Firma vor allem der Bildung der MitarbeiterInnen, die neben ihren tariflich vereinbarten 2 1/2 Litern Freibier pro Tag auch mit moderner Kunst im Büro versorgt werden.
In der Kunsthalle sind 70 der über 400 Arbeiten versammelt. Außer einem kunstpädagogischen ist kein Konzept zu entdecken: Op-Art, Informel, Fotorealismus, Tachismus, Pop-Art, surreale Grafik: jung eben und schön und teilweise auch richtig teuer. Emil Schumacher und Bernhard Schultze wurden gekauft, Günther Uecker und Heinz Mack. Amerikanische Pop-Art von Robert Indiana, Richard Hamilton und auch Eu Nim Ro, Norbert Prangenberg, Claudia Blume. Beuys fehlt nicht (kleine Schiefertafel) und Tinguely nicht.
Sinn und Zweck der Veranstaltung verrät Salzmann nebenbei: „Ich wäre sehr glücklich, wenn sich auch hier in Bremen Industrieunternehmen zu solchen Aktivitäten entschließen könnten.“ Biermacher gibt's hier genug. (Eröffnung am Sonntag, 11.30 Uhr, mit einer Ansprache von Dr. Leo König; die Ausstellung läuft bis 19. Mai, der Katalog kostet 39 DM und ist didaktisch aufgebaut.) Bus
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