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Wege zur inneren Unruhe

■ Das Geheimnis des HSV-Sieges über den SV Werder / Psychoterror siegt

Das in einem gesunden Körper ein gesunder Geist wohne und vice versa, ist eine gängige Weisheit. Und genau an diese knüpfte der HSV an, bei seinem Erfolg im Liga-Spiel gegen den SV Werder aus Bremen am vergangenen Freitag abend. Immerhin hatten sich die schnieken Pöseldorfer vom HSV einiges einfallen lassen, um den Bremer Fußballrecken die Seele schwer und damit den Körper lahm zu machen.

Kern aller taktischen Kniffe der Hamburger: Man hindere die Bremer Fans mit den verschiedensten Tricks am rechtzeitigen Erscheinen und schwäche sie unterwegs so, daß sie, im Stadion angelangt, sich in das Schicksal der Verlierer fügen und der Bremer Mannschaft kaum noch Unterstützung geben. An fing alles auf der Straße: Sorgsam war eine mobile Straßensperre gegen den Bremer Fan-Troß errichtet worden, getarnt als kilometerlanger Stau mit atemdrückenden Dieselschwaden aus extraschadstoffreichen LKWs, mit jeder Menge porschebewehrten Nervensägen, flackerndem Blaulicht satt und allem, was so nach und nach die Stimmung zersetzt und als große Müdigkeit im Körper weiterwirkt. Die Parkpätze waren natürlich sorgsam besetzt worden, die Busse voll mit vorgeblichen HSV-Fans und die Fußwege führten über verwinkelte Waldwege, wo sich des Weges Unkundige eigentlich nur verlaufen können.

Die Taktik ging auf: Durch das Fehlen des eigenen Reisepublikums verwirrt, hatten die Spieler des SV Werder zunächst nur Augen für die Ränge, wo sie vergeblich nach ihren Bewunderern suchten. Dabei unterliefen ihnen schwere Fehleinschätzungen des Spielgeschehens, reihenweise sprangen sie am Ball vorbei und schwupp, ohne daß so recht jemand etwas davon gemerkt hätte, prallte der Ball nach einem Freistoß an den Kopf des Hamburger Abwehrhünen Dietmar Beiersdorfer und da hing er schon im Netz. Gemein, so kurz nach dem Anpfiff, und wir Bremer Fans waren noch gar nicht da. Wir hatten noch eine letzte, schwere Klippe zu überwinden: die eng umlagerten Kartenhäuschen. Anstellen, Schritt für Schritt nach vorne, immer enger wurde es, von hinten schob man, vorne ging es nicht weiter. Unterdessen, die 25. Minute war gerade angebrochen, unsere Mannschaft immer noch nicht so recht im Bilde, Borowka hüpfte mal wieder unterm Ball hindurch, der HSV-Brasilianer Nando nutzte die Gelegenheit zu anderthalb Pirouetten an der Strafraumgrenze und einem Schüßchen aufs Tor, und den Abpraller drückte Mittelstürmer Jan Furtok über die Linie.

Die Hamburger hatten sich, um ihre Gegener nicht zur inneren Ruhe kommen zu lassen, eine weitere perfide Methode ausgedacht: Sie hatten zu ihren roten Hosen beißend blaue Stutzen angezogen, ein Farbkontrast, der für ständig neuen Sinnesaufruhr sorgte. Auch nach dem beruhigenden Pausen-Tee wirkten diese Irritationen unterhalb der Bewußtseinschwelle weiter. Zwar nahm die Zahl der Fehlpässe ab, zwar wurden pötzlich auch Zweikämpfe gewonnen, aber bei all dem fehlte die Inspiration, die zündende Idee. Nicht einmal die 80. Minute änderte etwas daran, als der HSV-Keeper Golz einen Ball auf den Kopf von Rune Bratseth fallen ließ, von wo er zum 2:1 ins Tor trudelte. Echten, aufgeweckten Fußball mit frischgemischten Karten spielten die beiden Mannschaften erst spät, in der vorletzten Spielminute, als der frischeingewechselte Thomas Stratos eine der Kontermöglichkeiten der Hamburger zu einem Tor ummünzte, und im Gegenzug Wynton Rufer schließlich aufwachte und einen weiten Paß dirket ins Tor verlängerte. Der mentale Vorsprung der Hamburger war jetzt wohl aufgebraucht, hätte man weiterspielen dürfen, wäre das Ergebnis sicher ein anderes geworden, aber der Schiedsrichter, ein Bayer (!!!! ) pfiff einfach ab.

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