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KOMMENTARKalfaktoren des Antisemitismus

■ Die Berliner Medien berichten über Faschisten und Reps wie über einen Karnickelzüchterverein

Eine Meldung der ehemals staatssozialistischen 'Allgemeinen Deutschen Nachrichtenagentur‘ vom Samstag, 16. März, 9.00 Uhr: »In die hauptstädtische Öffentlichkeit zurückgemeldet hat sich die als neofaschistisch eingestufte Nationale Alternative Berlin (NA) [...] Vor Pressevertretern informierte NA- Sprecher Andre Riechert darüber, daß seine Partei sich für den Erhalt des Berliner Tierparks einsetzen wolle.« Aus einem am gestrigen Sonntag in der 'Berliner Morgenpost‘ veröffentlichten Bericht über den REP-Parteitag am Samstag: »Den ‘jüdischen Gegner‚ personifizierte Pagel außer im Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Berlins auch in der Talk-Moderatorin Lea Rosh. Diese mache ‘alles irgendwie Deutsche nieder‚. Gleichzeitig distanzierte sich Pagel von ‘randalierenden, Sieg Heil‚ brüllenden Jugendhorden, die der Partei schadeten.« Und die SFB-Abendschau berichtet über die Reps, als wären die Rechtsradikalen ein Karnickelzüchterverein. Einziger kritischer Kommentar in dem Filmbeitrag: Die Finanzsituation der Partei sei angespannt. Die antisemitischen Tiraden des Rep-Chefs blieben gänzlich unerwähnt.

Nette Leute, diese Nazis. Sie melden sich freundlicherweise in eine — was immer das sein mag — hauptstädtische Öffentlichkeit zurück, sie haben ein Herz für Tiere und mögen keine Skinheads. Gut, sie mögen auch keine Juden, aber das gleicht sich doch irgendwie aus. Ausgewogene Berichterstattung. Seriös bleiben. Konjunktiv. So haben wir's gelernt auf der Journalistenschule und im Volontariat: In Nachrichtentexten hat die Meinung des Autors nichts zu suchen. Meinetwegen. Aber reine Nachrichtentexte über Rechtsextremisten haben auch in der bürgerlichen Presse nichts verloren.

Jemand, der — wie Rep-Chef Pagel — Heinz Galinski als »fünfte innere Besatzungsmacht« denunziert, hat seinen Anspruch auf faire Berichterstattung verwirkt. Die Aufgabe von Journalistinnen und Journalisten ist es deshalb, die Reps zu entlarven — nach den Angriffen auf die Kollegin Lea Rosh um so mehr. Wie man das macht? Entweder man enthüllt und kommentiert ihre Sauereien, oder man schweigt sie tot. Letzteres schadet ihnen schon seit längerem am meisten. Wie heißt es gleich selbstkritisch in einem Leitantrag der Rechtsextremisten vom Samstag? »Da die Republikaner auf aufsehenerregende Aktionen und scharfe Polemik im Parlament verzichteten, war die Berichterstattung der Medien entsprechend dünn.« Ohne die Medien sind die Reps nichts. Sie brauchen die Presse, sie kalkulieren uns — auch unsere Angriffe — in ihr Public-Relations-Konzept mit ein. Deswegen ist jede Zeile über die Reps eigentlich eine zuviel. Und eine Zeile, die die Reps und die NA auch noch nachrichtlich, seriös und »hauptstädtisch öffentlich« verkauft, ist nicht nur zuviel, sondern verantwortungslos. Wer solche Zeilen schreibt und sie duchgehen läßt, macht sich zum schreibenden Kalfaktor der Antisemiten. Claus Christian Malzahn

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