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CDU/CSU-Sprecher: Honi gegen D-Mark

■ Honecker fordert gesperrte Sparkonten zurück

Bonn/Berlin (dpa/taz) — Mit den öffentlich zur Schau getragenen diplomatischen Verstimmungen im Gepäck ist Bundesaußenminister Genscher gestern zu schon länger vereinbarten Gesprächen nach Moskau geflogen. Er werde bei seinen Treffen mit Gorbatschow und Bessmertnych nachdrücklich die sofortige Auslieferung des DDR-Staats- und Parteichefs Erich Honeckers verlangen, kündigte Genscher zuvor an. Den Einsatz wirtschaftlicher Druckmittel zur Durchsetzung dieser Forderung lehnte Genscher aber ab. Mit dieser Linie, so Genscher im NDR, sei die Bundesregierung bisher immer gut gefahren. Außer den Beratungen über eine Wirtschaftshilfe für die Sowjetunion stehen die Probleme des sowjetischen Truppenabzugs und Abrüstungsfragen auf dem Besuchsprogramm.

Der innenpolitische Sprecher der CDU-CSU-Fraktion, Johannes Gerster, hatte dagegen wortgewaltig gefordert, Genscher solle bei den Gesprächen zum deutsch-sowjetischen Partnerschaftsvertrag deutlich machen, daß die Bereitschaft, der Sowjetunion wirtschaftlich zu helfen, spürbar wachse, wenn Honecker in die Bundesrepublik abgeschoben würde [Lenk' nicht ab, Steuerlügner! d.K.]. Gerster äußerte allerdings Verständnis dafür, daß die Bundesregierung nichts unternommen habe, Honecker am Abflug zu hindern. In einer kritischen Phase um die Schlußabstimmung des 2+4-Vertrages wäre es unmöglich gewesen, etwa den sowjetischen Militärflughafen zu blockieren.

Mit harschen Worten hatten am Wochenende auch die Justizminister von Thüringen und Mecklenburg- Vorpommern, Jentsch und Born, gefordert, der „Oberbonze dieses ganzen Unrechtsunternehmens“ dürfe der Justiz nicht entzogen werden. Den Justizministern dürfte jedoch nicht entgangen sein, daß ihre Forderungen kaum in Erfüllung gehen dürften. Denn weder mit der Sowjetunion noch mit Honeckers möglicherweise nächstem Reiseziel, Chile, existiert ein förmliches Auslieferungsabkommen.

Honecker und seine Frau Margot haben wärenddessen über ihren Ostberliner Anwalt Friedrich Wolff juristische Schritte einleiten lassen, um an ihr bisher gesperrtes Privatvermögen heranzukommen. Der 78jährige Ex-Staatsratsvorsitzende soll 177.000 Mark beanspruchen, die bei der Währungsumstellung auf seinem Konto standen. Gattin Margots Privatbesitz — 70.000 Mark und ein Wartburg — stünden dem Ehepaar jetzt schon zu. Wolff vermutete, daß Honeckers ihren Lebensabend bei der Tochter und den Enkelkindern in Chile verbringen wollen. Dort gäbe es überdies viele, die ihnen zu Dank verpflichtet seien.

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