: Wohnraumbeschaffung mit neuem Leiter und alten Ideen
■ Turnhallen, Wohncontainer und Wohnungen in Schnellbauweise für Asylbewerber und Problemgruppen
“3.000 ist für mich die magische Zahl“, sagt Claus Gehlhaar. 3.000 ZuwanderInnen muß er in diesem Jahr in Bremen unterbringen — zusätzlich zu den 6.206 AsylbewerberInnen, die per Stichtag am 31.12.1990 schon untergebracht waren, zusätzlich zu den rund 2.700 Aus-und ÜbersiedlerInnen, die im vergangenen Jahr nach Bremen kamen, und zusätzlich zu den BremerInnen, die aufgrund „besonderer Probleme“ von Wohnungsnot bedroht oder bereits obdachlos sind. Seit dem 1. März ist Claus Gehlhaar offiziell Leiter der Abteilung Wohnungshilfe beim Senator für Soziales: Er soll koordinieren, was zuvor auf verschiedene Ämter verteilt und zwischenzeitlich vom ressortübergreifenden Krisenstab gemanagt worden war. Die neue Organisationsstruktur in diesem zentralen Bereich des Sozialressorts legt Planung der Behörde und Ausführung in eine Hand.
Das Beschaffungsteam der Wohnungshilfe hat den Auftrag, alles zu kaufen oder zu mieten, was irgend möglich ist. Je nach „Objekt“ werde dann entschieden, mit welcher Zielgruppe das Haus belegt werden kann. Um Häuser zu kaufen, hat der Finanzsenator zweimal sechs Millionen Mark genehmigt — allein es fehlen Häuser. Wo immer die Bremische als Verhandlungspartnerin für die Sozialbehörde auftritt, machen die Eigentümer Rückzieher oder schrauben ihre Forderungen ins Unermeßliche: Wo vor einigen Wochen dem Jakobushaus zum Beispiel zwei Häuser für betreutes Wohnen zur Entlastung seiner Überbelegung als sicher genannt wurden (sie sollten im April bezugsfertig sein), stellte Gehlhaar gestern ein Fragezeichen in den Raum: Die Forderungen des Eigentümers seien nicht zu erfüllen.
Sicher scheinen in dem gesamten Wohnraumbeschaffungspoker für 1991 nur die 50 Kampahäuser und 472 Wohneinheiten, deren Bau schon im vergangenen Jahr durch die Sonderprogramme der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) angeleiert wurde. „Dadurch konnten 40.000 Quadratmeter Wohnfläche geschaffen werden“, erklärt Gehlhaar.
Kurzfristige Lösungen erhofft sich Bremens oberster Wohnraumbeschaffer für seine Problemgruppen durch den Bau von Turnhallen (insgesamt 880 Plätze), durch das Aufstellen von Wohncontainern (600 bis 700 PLätze) und durch den „normalen“ Wohnungsbau im Schnellverfahren, zu dem Bremische und die anderen Wohnungsbaugesellschaften durch besondere Anreize animiert werden sollen (Wunschzahl Gehlhaars: 1.200 Plätze). Doch für alle drei Bereiche gibt es noch keine finanzielle Absicherung, betont Koordinator Gehlhaar.
Am 8. März habe die Sozialdeputation sieben Standorte für Turnhallen zur Kenntnis genommen. Seit etwa einem halben Jahr wurden sie in den Beiräten verhandelt, jetzt müssen sie in den Senat zur Abstimmung: Je nach Größe (mit einfacher oder dreifacher Übungseinheit) schaffen sie je 80 oder 160 Plätze. Die kleine Einheit kostet 2,2, die große 4,3 Millionen. Fünf Jahre lang, so lautet die Vereinbarung mit den Beiräten, werden diese Kamü- Hallen für die Unterbrinung von AsylbewerberInnen genutzt. Danach werden sie durch eine zentrale Überdachung und Entfernen der inneren Wände zu Turnhallen umfunktioniert und dem Sport zur Verfügung gestellt. „Diese Bedingungen sind auch für die Behörde bindend“, so Gehlhaar. „Nachtragshaushalt“ murmelt er dabei kaum vernehmbar, nach der Finanzierung der Millionenbeträge gefragt.
Für Wohncontainer, wie sie auf dem Gelände der Stadtwerke in der Föhrenstraße schon genutzt werden, sind jetzt Flächen ausgeguckt worden: Flächen, die stadtplanerisch „vergeben“ und deshalb im Besitz der Stadt sind (für Straßenplanung o.ä.). Diese Plätze wollte Gehlhaar gestern nicht verraten. Nur soviel: Der Mietvertrag für die Containersiedlung Föhrenstraße läuft aus und wird nicht verlängert. Die Bewohner (überwiegend Algerier und Afrikaner) müssen für die Dauer der Umsetzung ihrer Domizile in den Bunker einziehen.
Um die Wohnungsbaugesellschaften einschließlich Bremischer zum schnellen Bauen zu animieren, wird ihnen die Mietzeit für die Problemgruppen der Sozialbehörde auf zehn Jahre begrenzt. Danach sollen sie die Wohnungen nach eigenem Bedarf vermarkten dürfen. Über die Grundstückskäufe werde derzeit verhandelt.
Auch zur Verteilung der verschiedenen Unterbringungsprojekte auf die Stadtteile ließ sich der neue Planer ein Statement abringen: Eine Entflechtung soll versucht, die Quote nicht über 1,6 Prozent (bezogen auf die übrige Bevölkerung) ausgedehnt werden: In bestimmten Stadtteilen würde deshalb nichts mehr angemietet. In einer Statistik des Senats, die er auf Anfrage der CDU vor wenigen tagen in der Bürgerschaft vorlegte, hatte Oberneuland zum Beispiel ganz gefehlt. Birgitt Rambalski
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