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Ost-SPD pocht auf Berlin

■ Diskussion um Regierungssitz weiter kontrovers/ SPD-Fraktionsvize plädiert für Bonn/ Lehmann-Brauns (CDU) für »Demokratisierung der Debatte«

Berlin. Die Frage nach dem zukünftigen Parlaments- und Regierungssitz Deutschlands beschäftigte auch am Wochenende und gestern die Gemüter. Für die Landes- und Fraktionsvorsitzenden der ostdeutschen Sozialdemokraten hätte eine Entscheidung für Berlin nicht nur wirtschaftliche und politische Signalwirkung für Ostdeutschland, sondern würde auch der Integration der Völker Ostmitteleuropas in die Gemeinschaft der Europäer dienen. In einer Resolution im Anschluß an eine Tagung in Potsdam forderten sie außerdem eine gerechte Verteilung wichtiger Bundesinstitutionen über alle Bundesländer einschließlich Ostdeutschlands. Dagegen hält der Bonner SPD-Fraktionsvize Rudolf Dreßler eine solche Konzentration in Berlin für unakzeptabel. Er wies gestern darauf hin, daß bereits im letzten Juni 40.500 Beamte, Angestellte und Arbeiter im Dienst des Bundes in West-Berlin tätig waren. »Von einer fehlenden Präsenz des Bundes in Berlin kann also keine Rede sein«, sagte er. Ein Umzug der 34.200 Bundesbediensteten nach Berlin würde zudem die Bonner Region vor unlösbare Probleme stellen. Er plädierte dafür, den Sitz von Parlament und Regierung in Bonn zu lassen und für Berlin Lösungen zu suchen, die der Stadt eine Sicherung der wirtschaftlichen Zukunft erleichtern.

Der Berliner CDU-Abgeordnete Uwe Lehmann-Brauns setzte sich gestern für eine »Demokratisierung der Hauptstadtfrage« ein. Die Abgeordneten des Bundestages sollten vor der im Juni zu erwartenden Entscheidung über den Regierungssitz ihr Abstimmungsverhalten zur Diskussion mit den Wählern stellen, um so dem »mutmaßlichen Eindruck klammheimlicher Entscheidungsfindung offensiv zu begegnen«.

Ebenfalls im Zusammenhang mit der künftigen Rolle Berlins hat Berlins Regierender Bürgermeister Diepgen aus Anlaß des ersten Jahrestages der Volkskammerwahlen an die Berliner appelliert, »sich der historischen Aufgabe bewußt zu werden, der wir uns zu stellen haben«.

Wie berichtet, wollen nach einer Umfrage von 'Bild am Sonntag‘ 328 Bundestagsabgeordnete Bonn als Regierungssitz behalten, während sich nur 244 für Berlin aussprachen. dpa/cor

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