: Ganz frei von Militaria ist die Cebit nicht
■ Die grundsätzlich sowohl militärisch als auch zivil einsetzbare Mikroelektronik verhindert eine rüstungsfreie Computermesse
Hannover (taz) — Zu Recht hält sich die Messegesellschaft Hannover etwas darauf zugute, daß militärische Produkte auf ihren Schauen nichts zu suchen haben. Für Rüstungsgüter gibt es Fachmessen, die in der BRD nicht zuletzt nach den Protesten gegen die Internationale Luftfahrtausstellung (ILA) in Hannover äußerst unpopulär geworden sind. Ganz frei von Militaria ist die Computermesse Cebit aber doch nicht.
Immer wieder mischen Aussteller einschlägige Prospekte unter das Werbematerial für ihre Zivilprodukte. Auf dem Stand von Bosch Telekom fehlen in diesem Jahr zwar die Prospekte mit den Jungs in Oliv. Und im Gegensatz zu den Vorjahren wird auch kein Werbematerial über optische Feldfernsprecher verteilt. Dafür rückt eine zweite Gruppe von Militaria wesentlich deutlicher ins Blickfeld: die „Dual use“-Technik, die sowohl militärisch als auch zivil verwendbar ist.
Den ausgestellten Glasfaser-Datenübertragungssystemen ist ihre Entwicklungsgeschichte für militärische Zwecke nicht anzusehen. Glasfasern sind, verglichen mit herkömmlichen Kupferleitungen, abhörsicher und gegen elektromagnetische Impulse, wie sie von einer Atombombe ausgehen würden, weitgehend unempfindlich. Aus diesen Gründen wurde ihre Entwicklung von den Verteidigungsministerien in den 70er und 80er Jahren besonders gefördert.
Einer der weltweiten Führer auf dem Markt für Mobilkommunikation, die US-amerikanische Firma Motorola (deutsche Marke: Storno- Funktelefone), hat auf ihrem Cebit- Stand unter „Firmengeschichte“ auch militärische Handfunkgeräte der Jahre 1937 und 1941 ausgestellt. Motorola steht mit sieben Prozent Rüstungsanteil am Umsatz auf Platz 70 der internationalen Waffenhersteller-Hitliste.
Nur unter der Ladentheke sind bei der Daimler-Tochter Dornier Unterlagen über das Fleet-Monitoring-System erhältlich. Das Flottenmanagement-System bedient sich auch in der zivilen Version des vom US-Verteidigungsministerium installierten Global Positioning System (GPS/ Navsat). Mit GPS/Navsat ist in der militärischen Version eine Objektbestimmung auf zehn Meter, in der zivilen Anwendung auf 25 bis 50 Meter genau vornehmbar.
Trotz unterschiedlicher Angaben über die Zuverlässigkeit von GPS/ Navsat im Golfkrieg soll es zu einer „Auftragsflut von See- und Straßentransportunternehmen“ gekommen sein. SEL-Alcatel bietet GPS/Navsat zwar als „Globos F 2000“ an, stellt das System jedoch nicht auf der Cebit aus. Dies soll auf der Hannover Industriemesse Anfang Mai nachgeholt werden. Der Antennenhersteller Fuba bietet für den „professional use“ im GPS/Navsat Empfangsanlagen an, weist jedoch in der Produktbeschreibung ehrlicherweise auf die militärische Herkunft des Navigationssystems hin.
Ein Teil der Funktionen von GPS/ Navsat basiert auf digitalisierten, also computerlesbaren Landkarten von hoher Präzision. Diese Landkarten bilden bei Dornier, aber auch bei der Kreutler GmbH aus Karlsruhe die Basis für Einsatzleitsysteme, die speziell auf Anwendungen von Polizei, Feuerwehr und Technischem Hilfswerk zugeschnitten sind.
Die zivile sowie militärische Nutzbarkeit von GPS/Navsat ist nur ein Beispiel für die duale Anwendung von Computertechnologien. Im Golfkrieg sollen (neben der direkten Waffentechnik) über 10.000 PCs, 1.300 Laserdrucker von Hewlett-Packard und zehn Local-Area- Networks (LAN) von Novell im Einsatz gewesen sein. Aufgaben waren unter anderem die Auswertung der digitalen Aufnahmen der Spionagesatelliten KH-11, KH-12 und der Lacross-Klasse für die Air Tasking Order (ATO), die gezielte Flugattacken ermöglichen sollte.
Über das Netz „Easylink“ von AT&T und das Automatic Defense Internetwork (Autodin) hat das Rote Kreuz Familiennachrichten für die Soldaten im Desert Storm übermittelt. Besonders die Vernetzung von Computern verschiedener Herstellersysteme ist für (zivile) Netzwerkspezialisten eine Herausforderung, deren Bewältigung sich im Golfkrieg sogar zum Erstaunen der Fachleute bewährt hat. K.S.
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