: „Jetzt gehen viel mehr als zum Ende der Mauerzeit“
Die ostdeutschen Elektronikfirmen gehen im Gewühl auf der Computermesse CeBIT unter/ Bessere Telekommunikation als Schlüssel zu Investitionen ■ Aus Hannover Donata Riedel
Die 53 Aussteller aus den fünf neuen Bundesländern haben sich gut versteckt. Wer nicht gezielt nach ihnen sucht, wird die weltgrößte Computermesse CeBIT wohl mit dem Eindruck verlassen, daß Ostdeutschland eine weitgehend computerfreie Zone ist. Lediglich die „Robotron Büromaschinenwerk AG Sömmerda“ (BWS) versucht, so ihr Vorstandssprecher Helmut Auge, mit einem eigenen Stand in Halle 5 den „raschen Wandel von einer vorwiegenden Ost-Orientierung hin zu einer ausgewogenen Ost-West-Marktorientierung“ zu schaffen.
Andere datenverarbeitende Betriebe Ostdeutschlands sind in Hannover lediglich an den Rändern der Stände großer Westfirmen zu finden: DVZ (Datenverarbeitungszentrum) Rostock bei IBM Deutschland, DVZ Sachsen GmbH bei IBM Deutschland, DVZ Leipzig bei... Ohne den Elektronikmulti „hätten wir uns die Teilnahme hier nicht leisten können“, sagt Marion Hillmann vom DVZ Neubrandenburg.
Ganz am Rande des Geschäfts darf die GmbH auch außerhalb von Messezeiten den Dienstleister für IBM spielen, also die Produkte des Computerriesen übers eigene Vertriebsnetz im Osten vermarkten. Langfristig düster sieht es für die Neubrandenburger jedoch im Bereich Software-Herstellung aus, für den die DVZ einen „großen zahlungskräftigen Partner“ sucht. Einige Standbesucher, so Marion Hillmann, hätten am Stand ernsthaftes Interesse an den Programmen gezeigt. Die Angst vor Arbeitslosigkeit ist bei den Programmierern und Ingenieurinnen nicht so groß wie in anderen Branchen im Osten. Ihre Qualifikation ist durchaus auch im Westen gefragt — was wiederum den Ostfirmen große Probleme bereitet. „Jetzt gehen doch viel mehr Kollegen in den Westen als zum Ende der Mauerzeiten“, erzählt Hans Uebel von der Funkwerk Köpenick GmbH. „Und meistens sind's die besten unserer jungen Kader.“ Die Funkwerk Köpenick will die CeBIT ebenfalls zur Suche nach dem Westpartner nutzen. Allerdings sei man auf dem Stand der Ost-Hochschulen in der Weiterbildungshalle „ein bißchen falsch untergebracht“.
Die meisten Angebote lägen bisher — wie beim DVZ Neubrandenburg — im Dienstleistungssektor. „An unseren Produkten haben die absolut kein Interesse“, sagt Uebel, ohne sich jedoch darüber zu wundern: Sämtliche Funkgeräte der Ost- GmbH müssen neu zugelassen werden, weil in der Bundesrepublik andere Normen gelten als früher in der DDR. Am meisten fürchtet Uebel dabei „die westdeutsche Lobbywirtschaft“, die bisher erfolgreich verhindert habe, daß die umgebauten Ostsender und -empfänger zügig zugelassen würden.
Gegen altbundesdeutsche DIN- Normen braucht das Robotron Büromaschinenwerk Sömmerda bei der Vermarktung seiner Personal Computer und elektronischen Registrierkassen nicht zu kämpfen. Die Herren stellten ihr „renommiertes thüringisches Unternehmen“ samt weiterentwickelter „Soemtron“-Computer auf der Messe betont marktwirtschaftlich vor. Die „Neuausrichtung“ basiere auf einem Gutachten von McKinsey, das Unternehmen werde entflochten, so Vorstandssprecher Auge auf einer Pressekonferenz seiner Firma. Von den 1989 noch 13.800 Beschäftigten sollen Ende dieses Jahres noch 5.000 im Kernbereich beschäftigt bleiben.
Einen Markt für die PCs, die nach den Kriterien Technologie, Leistung und Preis „weitgehend auf dem Niveau der übrigen Anbieter“ (Auge) seien, hat die BWA aus Sömmerda allerdings ebensowenig wie die anderen östlichen Anbieter. Im Westen ist das Interesse an den Soemtron- Computern, die zwischen 2.000 und 10.000 Mark kosten, gering. Und im angestammten osteuropäischen Markt sei die Nachfrage zwar groß, „doch das Problem ist das Geld“, hat Auge erkannt. Die Hermesbürgschaften der Bundesregierung will man nutzen, notfalls auch Bartergeschäfte forcieren.
Nur: Bisher läßt sich die sowjetrussische Außenhandelsbank nicht auf Geschäfte ein, in denen sie mit D-Mark bezahlen muß. Und bei den Bartergeschäften ergibt sich das Problem, welche Waren einem Computerhersteller im Tausch für PCs tatsächlich nutzen können. „Neulich“, erzählt Auge, „haben wir uns sogar in Rubel auszahlen lassen, die kriegt man im Osten auch noch umgetauscht, wenn man sich auskennt.“
Daß die Unternehmensleitung sich „reichlich gut“ in der Sowjetunion auskennt, ist ungefragt am Soemtron-Stand zu erfahren. Angestellte erzählen freimütig, daß sie großes Interesse an Arbeitsverträgen mit Westfirmen hätten, weil es ihnen reiche, die alten Seilschaften, „nur halt die jüngeren von denen“, wieder als Chefs vor der Nase zu haben.
Die potentiellen Retter aus westlichen Computer- und Telekommunikationsfirmen sehen die Altlasten — ob personelle oder ökologische — nicht als wichtigsten Grund, sich in den neuen Ländern zurückzuhalten. Größtes Investitionshemmnis seien die fehlenden und schlecht funktionierenden Telefone. Auf dem „Ost- West-Forum Kommunikation — Schlüssel zu Osteuropa“ zeigten sich Unternehmensvertreter der Telekommunikationsbranche „selbstverständlich gerne bereit“, diesem Notstand abzuhelfen. Daimler etwa hat seine neuen Mercedes-Filialen im Osten an die West-Datenzentralen per Satellit angebunden. In Berlin hat sich die Daimler-Tochter Debis um eine Lizenz für ein Bündelfunknetz beworben. Dann könnte bis Ende 1992 flächendeckend in Berlin der Datenaustausch für Unternehmen, schwerpunktmäßig aus dem Baugewerbe, Kurierdienste und die Flughäfen, über dieses Netz realisiert werden. Die Satellitentechnik solle man jedoch nur solange nutzen, bis das normale terrestrische Telefonnetz aufgebaut sei — der Satellit sei einfach zu teuer.
Die Zusammenarbeit mit ostdeutschen Firmen beim Neuaufbau der Datennetze scheint im Westen nicht sehr gefragt. Lieber stellt man einzelne östliche Fachkräfte ein. So sind bei der Debis-Tochter „Systemhaus für Informationsverarbeitung“ 180 Ostdeutsche angestellt. Denn, sagt der Mathematiker Dietmar Gollnick, „im EDV-Bereich war das Wissen immer schon kompatibel“.
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