: Droht ein „Schwarzer September“ in Kuwait?
■ Kuwaitischer Minister verspricht baldige Demokratisierung/ Deportationen, Folter, willkürliche Verhaftungen gegen Palästinenser und Angehörige anderer Nationalitäten in Kuwait nehmen zu/ Kuwaitische Armee scheint dafür verantwortlich
Kuwait-Stadt (afp/wps) — Eine baldige Rückkehr Kuwaits zur Demokratie hat der Minister für Kabinettsangelegenheiten, Awadi, am Sonntag in Aussicht gestellt. Innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten bis zu einem Jahr würden demokratische Wahlen stattfinden, sagte er. Awadi reagierte damit auf die Erklärung des kuwaitischen Kronprinzen, Sabah, vom Samstag.
Dieser hatte bei einem Gespräch mit US-Senatoren zwar demokratische Reformen für sein Emirat in Aussicht gestellt, aber gleichzeitig die Sicherheit Kuwaits und den Wiederaufbau als vorrangig bezeichnet. Awadi erklärte jedoch, mit der Organisation der Wahlen werde begonnen, sobald der für drei Monate angesetzte Ausnahmezustand beendet, die öffentlichen Einrichtungen wiederhergestellt und die 40.000 im Exil lebenden Kuwaiter zurückgekehrt seien. Vertreter der Opposition nahmen die Erklärung zum Anlaß, erneut eine Demokratisierung des Landes zu fordern und die Verhängung des Kriegsrechts in Kuwait als verfassungswidrig anzuprangern.
Die kuwaitische Regierung sieht sich zunehmender Kritik der USA und internationaler Menschrechtsorganisationen im Hinblick auf die Behandlung von im Lande lebenden Nicht-Kuwaitern, vor allem Palästinensern, gegenüber. Der US-Botschafter in Kuwait, Edward W. Skip, begleitete Awadi an die irakische Grenze, wo der Minister zumindest mit zwei Personen sprechen sollte, die von sich berichteten, sie seien brutal zusammengeschlagen und an die irakische Grenze deportiert worden. „Ich glaube nicht, daß das stimmt“, erklärte Awadi unmittelbar danach gegenüber der Presse, „ich habe keine Beweise für diese Behauptungen gesehen“.
Andrew Whitley, geschäftsführender Direktor der New Yorker Menschenrechtsorganisation Middle East Watch, schätzt, daß mittlerweile rund 3.000 Personen vermißt werden, darunter etwa die Hälfte Palästinenser: „Es bleibt zu klären, in welchem Umfang die kuwaitische Regierung — insbesondere hochrangige Mitglieder — als direkte Komplizen in Frage kommen.“ Er hielt Kuwait massive Verletzungen internationalen Rechts durch Deportationen, willkürliche Verhaftungen und brutale Verhöre ohne jegliches Rechtsverfahren vor. Ein Mitarbeiter des Roten Kreuzes, Naif Adjami, erklärte, man finde täglich Leichen von Gefolterten und Erschossenen: „Manchmal einen, manchmal fünf. Es gibt hier zuviel Tod.“ Offizielle Vertreter der USA und von Menschenrechtsorganisationen bestätigten, daß man mittlerweile zwischen zwanzig und dreißig Erschossene oder zu Tode Gefolterte gefunden habe.
Die schlimmste Behandlung erfahren irakische Soldaten, die von der kuwaitischen Armee in Kuwait gefunden werden, erklärten US- Vertreter. „Sogar die amerikanischen Soldaten sind voller Ekel“, erklärte einer von ihnen, „wenn sie jetzt Iraker finden, liefern sie sie nicht mehr an die Kuwaitis aus“. In Hawalli, dem größten Palästinenserviertel in Kuwait-Stadt wandte sich ein Palästinenser mit der Bitte an einen Reporter, die Amerikaner mögen nicht abziehen. „Die kuwaitischen Soldaten haben uns gesagt, wenn die US-Soldaten abziehen, gibt es hier einen zweiten ,Schwarzen September‘“. So wird der Krieg der jordanischen Armee gegen die Palästinenser in Ostjordanien 1970 genannt, der mit der Zerstörung der Flüchtlingslager und einer Massenvertreibung von Palästinensern endete.
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