Hardthöhe debattiert Berufsarmee

■ Stoltenberg hält an Wehrpflicht fest, aber seine Mannen denken da zum Teil ganz anders...

Bonn/Hamburg (taz) — Verteidigungsminister Stoltenberg wird von seinem eigenen Sprecher überfallen. Die Abschaffung der Wehrpflicht, für Stoltenberg ein „Gespensterthema der Journalisten“, ist für Fregattenkapitän Stefan Lang, Sprecher für Grundsatzfragen durchaus diskutabel: „Eine Berufsarmee ist aus Effektivitätsgründen zu befürworten.“ Die Wehrpflicht werde nur aus gesellschaftspolitischen Gründen am Leben erhalten. Freiwillige, bei Fallschirmspringern gang und gäbe, seien ohnehin schlagkräftiger. Die angebliche „Scheindebatte“ (Stoltenberg) um die Berufsarmee wird im Ministerium durchaus handfest geführt. Die Verweigerungswelle während des Golfkrieges hat neuen Zündstoff geliefert.

Prof. Bernhard Fleckenstein, Direktor des sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr, wirft seinem obersten Dienstherren gar „Denkverbote“ und „ideologischen Qualm“ zur Stützung der These von der Wehrpflicht als „legitimes Kind der Demokratie“ vor. Da könne ebensogut die Guillotine als Erfindung der Französischen Revolution Kind der Demokratie genannt werden. Das krampfhafte Festhalten an einer sich mehr und mehr entleerenden Floskel Wehrpflicht bezeichnete Fleckenstein als „Mißtrauen gegen die Berufssoldaten“ in Bonn. „Ich gehe jede Wette ein, daß die Bundeswehr spätestens in zehn Jahren eine Freiwilligenarmee ist.“ Für Teilbereiche treffe dies schon jetzt tendenziell zu: So gebe es bei Luftwaffe und Marine nur noch ganze 20 Prozent Eingezogene.

Probleme sieht Fleckenstein auch bei der Umstellung kaum. Letztlich ließe sich die Wehrpflicht in einen allgemeinen Gesellschaftsdienst umwandeln, in der Militärdienst eine Alternative unter vielen anderen wäre — Sozialdienst, Ökologie ... „Die heilige Kuh muß geschlachtet werden!“

Für Dr. Wolfgang Vogt, Leitender Direktor der Sozialwissenschaften in der Führungsakademie der Bundeswehr, hat die „abgedroschene Phrase von der Wehrpflicht als legitimes Kind der Demokratie weder rechtlich noch historisch eine Basis: Die preußische Armee hat vor der Demokratie bestanden. Eine heutige Berufsarmee wäre ein wirkliches Kind der Demokratie. Wehrpflichtige sind ungelernte Hilfskräfte, für befristete Zeit angeworben, für niedere Dienste eingesetzt, auf unterster Ebene der Institution, an vorderster Front im Ernstfall, mit den höchsten Verlustquoten und am schlechtesten bezahlt.“

Der persönliche Referent Stoltenbergs, Oberregierungsrat Dr. Paul Jansen, will allderings nicht an die Diskussion in den eigenen Reihen glauben: „Gegenstimmen von wenigen gibt es immer. Aber die Wehrpflicht wird nicht fallen.“

Mathias Heller, Ingolf Kern, Carsten Matthäus