: Die Helden der Nation
Der olle Beatnik Ken (Einer flog über das Kuckucksnest) Kesey bezeichnet in den 50er Jahren die Überhelden der US-Comix, also Captain Marvel, Batman, The Flash usw., als die „wahrhaftigen amerikanischen Mythen“. Die Youngsters kannten Superman, aber wer zum Teufel war Odysseus? Wenn die Kids in Daddys Heckflossenschlitten über den Highway jagten, waren sie The Flash, wenn sie sich ihr Land anschauten, verwandelten sie sich in Captain Marvel, sie waren unbesiegbar oder, wie Tom Wolfe in den 60ern meinte, „die erste Generation kleiner Teufel auf dieser Welt, die sich immun fühlte, über jede Katastrophe erhaben“!
Daran hat sich nicht viel geändert. Nun gut, Vietnam war ein kleiner Ausrutscher, Schwamm drüber. Anfang der 80er Jahre war Ronnie Reagan voll des Lobes für seine minderjährigen Landsleute, die den ganzen Tag vor dämlichen Videospielen hockten und Massenmord an Außerirdischen und an ihren grauen Zellen begingen. Ronnie war sicher, daß diese Generation später ausgezeichnete Jet-Piloten für die Airforce abgeben würde. Inzwischen stecken wir in den Neunzigern, die Amis haben gerade mal wieder einen Krieg gewonnen, und die Bevölkerung braucht stärken Stoff als den Videoschirm, um das Adrenalin zum Kochen zu bringen. Und zack, schon ist die Marktlücke zu. „Air Combat USA bietet Nichtpiloten den Thrill eines Luftkampfs ohne die Unannehmlichkeiten einer achtjährigen Militärdienstzeit“, bejubelt das amerikanische Luftfahrtmagazin 'Privat Pilot‘ eine neue Kriegsspielvariante. Die Spieler nehmen ihre Gegner heute direkt aus den Cockpits wendiger Propellerflugzeuge ins Visier. So können sie ihre martialischen Träume richtig schön austoben. Es versteht sich natürlich von selbst, daß der Feind immer einen roten Stern an der Heckflosse hat.
Die Kunden — vom ehemaligen Militärpiloten bis zur Hausfrau ist alles vertreten — werden zunächst in die Taktik des Luftkampfes und die militärische Fachsprache eingewiesen, bevor sie mit ihrem Instrukteur zur Abfangjagd über Kalifornien aufsteigen. „Dog-Fight“ nennen die Militärs das Gemetzel am Himmel, und gegen einen geringen Aufpreis kann man seine „kills“ von Profis filmen lassen und auf Videocassette mit nach Hause nehmen.
Und wenn den Amerikanern mit der Zeit die Feindbilder ausgehen? Scheiß drauf, Mann! Irgendeiner Ratte gilt es immer zu beweisen, daß man ein gottverdammter Comicheld ist! Karl Wegmann
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