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An Martin Kempe-betr.: "Das schlechte Gewissen der ÖTV", taz vom 28.2.91

Betr.: „Das schlechte Gewissen der ÖTV“, taz vom 28.2.91

Der o.g. Kommentar geht an den Problemen des ÖD vollkommen vorbei.

-Haben Sie die Probleme der Erzieherinnen im Kita-Streik vergessen?

-Was sagen Sie zur Situation des Pflegepersonals in den Krankenhäusern?

-Was sagen Sie zu der großen Zahl nicht-besetzter Planstellen im ÖD? (Gehören lange Schlangen vor Sozialamt, Wohnungsamt, Arbeitsamt, Mieterberatung für Sie zur Normalität? Halten Sie es für zumutbar, wenn die Bearbeitungszeit für einen Antrag auf Stütze bei 1/2 Jahr liegt?)

-Warum verlaßen so viele qualifizierte Mitarbeiter Ihrer Meinung nach den ÖD? (Ist Ihnen bekannt, daß aus diesem Grunde viele Aufträge an die private Wirtschaft vergeben werden müssen, die dort nicht hingehören? Ist Ihnen bekannt, daß aus gleichem Grunde die Privatisierung möglichst großer Teile des ÖD angestrebt wird? Können Sie sich vorstellen, welche Folgen daß für Abfallwirtschaft, Nahverkehr, Krankenversorgung usw. haben wird?)

— In 1990 hatten wir einen bescheidenen „Lohnzuwachs“ (1,6%), die IG Metall erreichte 6,9%. Sie fordert auch 1991 über 10%. Wissen Sie jetzt, warum in meinem Bereich seit Jahren die Hälfte aller Planstellen unbesetzt blieb, und was das für die Zurückgebliebenen bedeutet? Welche Auswirkung die daraus resultierende Überlastung auf den Krankenstand hat?

— Ist Ihnen eine Studie des Innenministeriums bekannt, nach der technische Angstellte im ÖD im Durchschnitt 1500,- DM netto weniger verdienen als vergleichbare in der freien Wirtschaft? [...]

— Die Kosten der Vereinigung müssen gerecht verteilt werden. (Auch für uns gilt: 7,5% mehr Lohn- bzw. Einkommenssteuer.) Es kann nicht sein, daß wieder diejenigen am meisten opfern sollen, die schon immer verzichtet haben.

Der öffentliche Dienst ist in weiten Bereichen kurz vor dem Ende. Wenn Sie das nicht glauben, sprechen Sie mit dem Pflegepersonal in Krankenhäusern, sprecehn Sie mit ErzieherInnen in Kitas, mit Entsorgern, sprechen Sie mit den Leuten auf den Ämtern, kommen Sie an meinen Arbeitsplatz! Jürgen Berndt, Berufsausbilder, Berlin

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