piwik no script img

Neonazi-Kongreß über „Auschwitz-Lüge“

Rechtsradikale mobilisieren zum „Leuchter-Kongreß“ am 23. März in München/ Neue Agitationskampagne von Geschichtsrevisionisten zur Leugnung des Holocausts/ Bundesinnenministerium sieht „verstärkte Revisionismuskampagne“  ■ Aus München Bernd Siegler

„Jetzt geht es um jeden Tag, nein, jede Stunde.“ Internationale Rechtsextremisten machen für den kommenden Samstag in München mobil, um dort mit einem sogenannten „Leuchter-Kongreß“ den „Durchbruch des Revisionismus“ zu schaffen. Sie berufen sich auf den 1988 erstellten „Leuchter-Report“, in dem behauptet wird, daß es in den Vernichtungslagern Auschwitz, Birkenau und Majdanek „aus technischen Gründen“ keine Massentötungen in Gaskammern gegeben haben könne. Am 23. März sollen in München die Hauptvertreter des „Revisionismus“ zu Wort kommen: Fred Leuchter, der britische Publizist David Irving, der französische Professor Robert Faurisson und der österreichische Publizist Gerd Honsik. Sie bestreiten den Holocaust, um mit der Herstellung der „geschichtlichen Wahrheit“ das „deutsche Volk vom Schuldkomplex Auschwitz“ zu befreien. Das Bundesinnenministerium sieht die in den „letzten beiden Jahren verstärkte Revisionismus-Kampagne“ als Problem der inneren Sicherheit an.

Die Kampagne zur Leugnung des Holocausts wurde zunächst Mitte der 60er Jahre auf publizistischer Ebene geführt. Der Literaturdozent an der Universität Lyon, Robert Faurisson, verfaßte die Schrift Es gab keine Gaskammern, der nach Dänemark geflüchtete Neonazi Thies Christophers Die Auschwitz-Lüge und der Funktionär der englischen rechtsextremistischen „National Front“, Richard Verrall, das Buch Did Six Millions Really Die?. Im September 1979 fand in Los Angeles der erste revisionistische Weltkongreß statt. „Revisionismus war von Anfang keine deutsche, sondern eine internationale Erscheinung“, betont das Bundesinnenministerium.

Im Hause Schäuble ortet man den Beginn einer verstärkten Kampagne in einem Strafprozeß, der 1988 in Toronto gegen den 1958 nach Kanada ausgewanderten deutschen Neonazi Ernst Christof Zündel geführt worden war. Über seinen Verlag „Samisdat Publishers Ltd.“ beliefert Zündel seit Jahren, so das Bundesamt für Verfassungsschutz, bundesdeutsche Neonazis mit Propagandamaterial. Der Fünfzigjährige hatte in seinem Verlag das Buch von Verrall verbreitet und damit laut kanadischer Staatsanwaltschaft „wissentlich falsche Nachrichten verbreitet“. Zündel verlor zwar die beiden ersten Instanzen und wurde zu fünfzehn bzw. neun Monaten Haft verurteilt, sein Ziel war es jedoch, den Prozeß zu einem „Stalingrad der Verfechter der Judenvernichtungsthese“ werden zu lassen. Deshalb beauftragte er zusammen mit Faurisson Fred A. Leuchter aus Boston, ein Gutachten über Gaskammern zu erstellen. Leuchter hatte seit 25 Jahren Hinrichtungsanlagen für US-Zuchthäuser, etwa die Gaskammer in Jefferson City/Missouri, konstruiert. Weil Leuchter nach über vierzig Jahren nur noch äußerst geringe Spuren von Zyanid in Mauerproben von Auschwitz nachweisen konnte, kam er zu dem Schluß, daß es keine Vernichtungsgaskammern gegeben habe.

Während das renommierte Münchener Institut für Zeitgeschichte den Report als „pseudowissenschaftliche, ziemlich plump gemachte NS-apologetische Propagandaschrift“ bezeichnete, feierten Rechtsradikale im In- und Ausland, allen voran der Starredner der „Deutschen Volksunion“, der britische Publizist David Irving, den Report als „Durchbruch zur Wahrheit“. Im März 1990 sorgte das Bundesjustizministerium für Freude bei den Rechtsradikalen. Brieflich versicherte der Ministerialbeamte Böing im Auftrag des damaligen FDP-Ministers Hans A. Engelhardt, daß es sich bei dem „Leuchter-Report“ „um eine wissenschaftliche Untersuchung“ handele. Erst ein halbes Jahr später korrigierte Engelhardt diese Aussage.

Derweil lief jedoch die von Zündel angekündigte „neue revisionistische Agitationskampagne in Europa“ auf Hochtouren. Die bayerische Landeshauptstadt avancierte zum Mittelpunkt. Am 21. April 1990 referierte Irving auf Einladung des Münchener Neonazis Ewald Althans im Löwenbräukeller vor 800 Neonazis aus Deutschland Ost und West zum Thema „Schluß mit der Siegerpropaganda“. Am 11.Mai sprach Robert Faurisson im Münchener Mövenpick-Restaurant über den „Leuchter-Report“. Die Stadt hatte aufgrund des positiven Engelhardt- Briefs ein bereits ausgesprochenes Redeverbot wieder zurückgenommen. Im November hörten 200 Teilnehmer dem Zündel-Verteidiger Douglas Christie zu.

Zum „Durchbruch des Revisionismus“ soll jetzt der Münchener Kongreß führen. Die Vorbereitung läuft über Zündel und Althans. In seinem Rundbrief „Germania“ Nr.140 kündigte Zündel am 31. Januar dieses Jahres den Kongreß an. „Aus Sicherheitsgründen“ hielt er jedoch den Ort geheim. Interessenten sollten gegen Einsendung von 50DM und Angabe von „Alter, Geschlecht und Gesundheitszustand“ bei Ewald Althans in Huglfing den genauen Ort erfahren. Althan hatte währenddessen im Deutschen Museum für den 23.März um 10 Uhr eine geschlossene Veranstaltung mit dem Titel „Internationale Multimedia-Show“ angemeldet. Doch die Direktion sagte ab. Der genaue Veranstaltungsort ist derzeit noch unbekannt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen