: Zeitung mit Stasi-Listen ausverkauft
■ 'die andere‘ meldet positive Resonanz auf Veröffentlichung der Namen von hauptamtlichen Stasi-Mitarbeitern und Lohnlisten/ Bürgerrechtler begrüßen Publizierung: Liste nicht nur für BND
Berlin. Die Gehaltslisten mit den Namen von 2.000 führenden Mitarbeitern des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), die die Zeitung 'die andere‘ abdruckte, waren gestern an den Kiosken in Berlin schnell ausverkauft und haben erneut eine Diskussion über den Umgang mit der Stasi- Vergangenheit ausgelöst. In der Liste ist auch der Name des ehemaligen DDR-Devisenbeschaffers Alexander Schalck-Golodkowski, der nach diesen Angaben jährlich allein 54.750 Mark bei der Stasi verdient haben soll. Daß Schalck hochrangiger Stasi-Mitarbeiter und dort auf der Gehaltliste gewesen sei, hatte kürzlich das Nachrichtenmagazin 'Der Spiegel‘ berichtet. Generalbundesanwalt Alexander von Stahl kündigte daraufhin an, möglicherweise werde ein Ermittlungsverfahren gegen Schalck eingeleitet.
»Pausenlos kommen Leute in unser Haus«, berichtete Redakteurin Tina Krone. Die Zeitung sei nach wenigen Stunden ausverkauft gewesen. Die Kommentare der Besucher und Anrufer seien durchweg »zustimmend zur Veröffentlichung«. Der Schriftsteller Jürgen Fuchs, der früher selbst Drangsalierungen der Staatssicherheit ausgesetzt war, verteidigte ebenso wie die Bürgerrechtlerinnen Bärbel Bohley und Katja Havemann den Abdruck der Namen, Gehälter und Geburtsdaten.
'die andere‘ hat angekündigt, nach und nach die Lohnlisten mit den Namen von 100.000 hauptamtlichen Mitarbeitern der Stasi abzudrucken. In einem Beitrag für das Blatt schrieb Fuchs: »Jetzt nennen wir eure Namen. Und sehen in Kürze nach, was in den Akten steht. Das Geheimnis muß weg. Das konspirative Spiel, ihr versteht, ist aus. Öffentlichkeit, Menschenrechte, Datenschutz, Demokratie: Werden da Rechte Dritter verletzt?«
Vertreter der früheren DDR-Opposition erklärten, die Veröffentlichung sei nötig, weil bisher eine Aufarbeitung dieses Themas unterblieben sei. Die Liste dürfe nicht nur den bundesdeutschen Nachrichtendiensten zugänglich sein.
Frau Bohley wies darauf hin, daß ehemalige DDR-Juristen, die für die Stasi tätig oder für Unrechtsurteile verantwortlich gewesen seien, nun problemlos als Rechtsanwälte arbeiten könnten und Stasi-Spitzel als Berater oder Spezialisten neue Arbeitgeber finden würden. Die Mitbegründerin des Neuen Forums schreibt: »Wird mein Sohn vielleicht eines Tages vor meinem alten Vernehmer stehen, wenn er den Kriegsdienst verweigert? Werde ich vielleicht irgendwann wieder von meinen alten Bewachern beschnüffelt? Wenn Gerechtigkeit durch die Mächtigen nur ein Traum der Ohnmächtigen ist, dann hilft nur Öffentlichkeit.«
Die veröffentlichte Lohnliste enthält nur die Namen der hauptamtlichen, nicht die der inoffiziellen Mitarbeiter (IM) der Stasi. Die Zeitung ist nach eigenen Angaben auch im Besitz des Großteils der Adressen der Hauptamtlichen. Sie will deren Anschriften aber nicht veröffentlichen, um möglichen Anfeindungen und Racheakten keinen Vorschub zu leisten, heißt es in der Redaktion. dpa
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