piwik no script img

Schering will Jenapharm übernehmen

■ Chemie- und Pharmakonzern will sich im Osten engagieren/ Derzeit bestehen Probleme mit dem Osteuropa-Geschäft/ Rekordinvestitionen vom letzten Jahr sollen auch 1991 wieder getätigt werden

Wedding. Der Berliner Chemie- und Pharmakonzern Schering will die Jenapharm GmbH (Jena) übernehmen. Dies sagte Schering-Finanzvorstand Prof. Dr. Klaus Pole gestern. Für eine Übernahme sei bereits im Februar ein entsprechender Antrag bei der Treuhandanstalt gestellt worden. Für kommenden Montag sei in dieser Angelegenheit ein Gespräch mit dem thüringischen Wirtschaftsminister Schulz vorgesehen, der auch Aufsichtsratsvorsitzender der an Jenapharm beteiligten Carl-Zeiss-Stiftung ist.

Sollte Schering den Zuschlag für den Kauf erhalten, will der Konzern allein in die Produktion in Thüringen 100 Millionen Mark investieren. Vor allem soll in Jena in enger Kooperation mit der Medizinischen Fakultät der Universität eine Forschungs- und Entwicklungsabteilung mit 150 hochqualifizierten Wissenschaftlern aufgebaut werden. Jenapharm wird 1991 etwa 160 Millionen DM umsetzen. Ungeklärt ist, wie viele Mitarbeiter von Schering übernommen würden. Ausgegliedert wird auf jeden Fall das Gothaer Werk, das eigenständig weitergeführt werden soll.

Problematisch gestaltet sich laut Pohle das Ostgeschäft. Allein die Pflanzenschutzsparte habe Aufträge über 150 Millionen Mark in den Büchern, die wegen Devisenmangels der UdSSR derzeit noch nicht ausgeliefert werden konnten. Die Pflanzenschutzsparte soll nach dem Scheitern der Kooperation mit der Sandoz AG (Basel) eigenständig weiterentwickelt werden.

Schering will 1991 an das Rekordinvestitionsvolumen von 515 (1989: 459) Millionen Mark des Jahres 1990 anknüpfen. Die Forschungs- und Entwicklungsaufwendugen sollen nach 802 (702) Millionen Mark in die Nähe der Milliarde Mark rücken. Gerechnet wird mit einem Umsatzzuwachs von zwei Prozent nach einem Prozent auf 5,923 (5,845) Milliarden Mark im Vorjahr. Zu berücksichtigen ist dabei die Veräußerung der Diamalt AG (München) zum Jahresbeginn mit etwa 160 Millionen Mark Umsatz. Wachstumsimpulse kommen vor allem aus dem Pharmageschäft, wo die in den USA übernommenen Biotechnologie-Unternehmen Codon und Biosciences zusätzliche Geschäftsfelder in der Krebsbekämpfung eröffnet haben.

Nicht zuletzt mit Blick auf die Kürzung der Berlinförderung wird die Dividende bei 13 Mark je 50-Mark-Aktie gehalten. Eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln wie im Vorjahr gebe es nicht. Schering muß die Ausschüttungssumme auf das auf 341,7 (310,8) Millionen Mark erhöhte Kapital auf 89 (81) Millionen Mark aufstocken, 70 (67) Millionen Mark gehen in die Rücklagen. Trotz der Belastungen aus den Wechselkursveränderungen wird 1991 aber mit einer Wiederholung des Rekordgewinns von 1990 gerechnet, betonte Pohle. Im vergangenen Jahr belastete eine Sonderabschreibung auf die neuen Töchter in den USA das Ergebnis mit 91 Millionen Mark.

Die Chemieproduktion in Berlin soll aufgegeben werden. Das ist nach Angaben des Vorstandsvorsitzenden Giuseppe Vita keine Konsequenz des Abbaus der Berlinförderung, sondern ergebe sich aus der gewandelten Lage der Stadt. Das Werk am Wedding rücke aus einer Stadtrandlage an der Mauer jetzt ins Zentrum. Der Kürzung der Subventionen in Berlin will Schering mit einem energischen Sparprogramm begegnen. Allein die Auflösung des Sonderpostens mit Rücklageanteil aufgrund der künftig wegfallenden Sonderabschreibungen und die Auflösung von Pensionsrückstellungen wegen des Wegfalls des bisher günstigeren Rechnungszinsfußes führt bei Schering zu 340 Millionen DM an zusätzlichem Steueraufwand. An einen Abbau des Personals von zuletzt weltweit 26.695 (25.332) Mitarbeitern ist aber nicht gedacht. dpa

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen