INTERVIEW: „Es sind Kriminelle“
■ Bundestrainer Berti Vogts ist für knallharte Strafen und sucht dennoch intern den Kontakt zu Fußballrandalierern
Anläßlich des Europacup-Rückspiels zwischen Dynamo Dresden und Roter Stern Belgrad reiste Bundestrainer Hans-Hubert Vogts erstmals zu einem Fußballspiel in die ehemalige DDR. Der Bundes-Berti hatte Pech, daß er gleich Zeuge eines Abbruchs werden mußte.
taz: Bundeskanzler Helmut Kohl mußte ganz schön gebeten werden, bevor er in den Osten Deutschlands kam und mit den Menschen über ihre Sorgen sprach. Mußte man auch den Bundestrainer Fußball etwas drängeln, daß er in Dresden einen Blick auf die Probleme des nordostdeutschen Fußballs wirft?
Hans-Hubert Vogts: Im Gegenteil. Ich habe dem DFB empfohlen, daß wir uns hier präsentieren müssen. Und nach der Auslosung habe ich sofort beschlossen, nach Dresden zu reisen, um diese Mannschaft moralisch zu unterstützen. Außerdem wollte ich meinen neuen Trainer- Kollegen Hans-Jürgen Dörner endlich in seiner Heimatstadt besuchen.
Im Alltag merkt man im Moment in Deutschland, daß es doch in der Mentalität, in der Lebensauffassung große Unterschiede in Ost und West gibt. Haben Sie diese Erfahrung als Bundestrainer auch im Umgang mit den Spielern gemacht?
Jein. Ich habe hier einen Vorteil, glaube ich, daß die Spieler schon in der Bundesliga und damit im Westen sind. Sie haben sich sehr, sehr schnell umgestellt. Nur eines ist auffällig: Sie sind sehr verschlossen, sie sind sehr abwartend. Das spricht für die Charakterstärke dieser Leute.
Herr Vogts, Sie haben das Aufgebot für das Länderspiel am nächsten Mittwoch gegen die Sowjetunion berufen. Es sind noch zwei Spieler der ehemaligen DDR dabei. Beim letzten Treffen gegen die Schweiz waren es fünf. War das eine Alibi-Berufung?
Beim ersten Mal hatten wir rund 24 Spieler. Ich wollte diese Spieler einmal kennenlernen. Jetzt haben wir 20 Spieler nominiert. Andreas Thom wäre dabeigewesen, doch er ist in dieser Woche operiert worden. Ulf Kirsten hat im Moment leichte Probleme. Wir sind in einer Leistungsgesellschaft und man kann keinen Spieler nominieren, der nicht einmal Stammspieler in seinem Verein ist.
Sie haben von den Ausschreitungen in verschiedenen Stadien gehört. Hier haben Sie einen Abbruch miterlebt. Das Bild des Fußballs im Nordosten Deutschlands ist lädiert. Wirkliche Fußballfreunde haben Angst, zu den Spielen ins Stadion zu gehen. Was kann man machen, um das Bild des Fußballs in der Öffentlichkeit wieder zu verbessern?
Es ist sehr, sehr schwierig, jetzt einfach eine Globalentscheidung zu treffen. Erst einmal haben wir es hier nicht mit Fußballfans zu tun, denn Fußballfans würden sich nicht so benehmen wie diese Randalisten sich aufführen. Es sind Kriminelle, sie müssen wie Kriminelle behandelt werden. Man muß die Politiker mehr unter Druck setzen, daß es hier zu einem höheren Strafmaß kommt als bisher. Mit Kriminellen darf man nicht so nachsichtig sein.
Sie haben sicher gehört, daß der FC Berlin diesen Sonderzug nach Rostock mitorganisiert hat. Akzeptieren Sie das als einen Versuch eines Vereins, mit gewalttätigen Hooligans umzugehen oder sagen Sie: Nein, das ist zu gefährlich. Man kann sich nicht dafür engagieren, daß eine so große Anzahl gewaltbereiter Hools zu einem Spiel kommt?
Man kann es ihnen nicht verbieten. Sie gehen unter dem Deckmantel, daß sie Fußballfans seien. Aber man soll sich mit ihnen schon auseinandersetzen, auch wir mit der Nationalmannschaft. Wir werden uns mit zwölf Leuten vom harten Kern treffen. Es war natürlich der Wunsch der Randalierer oder Chaoten, die Presse einzubeziehen, damit sie ihre Bühne haben. Wir haben das abgelehnt. Wir wollen intern mit ihnen reden. Wir wollen ihnen nicht die Bühne freigeben, denn die Bühne heißt Fußball. Interview: Hagen Boßdorf.
Bericht und Kommentar zu den Dresdner Fußball-Krawallen auf den Seiten 4 und 9.
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