: Arbeitssieg in Kalkar
■ Achtzehn Jahre nach Baubeginn - der Schnelle Brüter liegt im Milliardengrab
Arbeitssieg in Kalkar Achtzehn Jahre nach Baubeginn — der Schnelle Brüter liegt im Milliardengrab
Endlich. Seit Jahren liegt er im Koma, seit gestern ist das Aus für den Brüter in Kalkar amtlich. Nach der Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf und dem Hochtemperaturreaktor in Hamm verschwindet damit das dritte Mammutprojekt im Milliardengrab der Atomlobby. Ein später Erfolg der Anti-Atom-Bewegung, den zu feiern die Aktivisten von einst allen Grund hätten. Von Festtagslaune ist indes wenig zu spüren.
Sicher ist dennoch, daß der Brüter ohne die Protestbewegung, ohne zahllose Proteste, Demonstrationen und Gerichtsverfahren längst vor sich hinbrütete. Aus freien Stücken hätte sich die Atomindustrie trotz der immensen technisch-ökonomischen nicht von dem Projekt verabschiedet. Richtig ist aber auch, daß der Brüter — trotz Anti-Atom- Bewegung — schon lange am Netz hinge, säßen in der Düsseldorfer Landesregierung die Brüter- Lobbyisten im Sattel. Vielleicht fällt das Feiern vielen in der Protestszene deshalb so schwer. Mancher mag sich nicht eingestehen, daß die einstigen Lobbyisten des „Höllenfeuers“, die Sozialdemokraten, die noch 1979 in Gestalt ihres Forschungsministers Hauff von einem „Stück Zukunft“ in Kalkar schwärmten, in der Endphase tatsächlich die entscheidende Rolle bei der Blockade der Plutoniumschleuder gespielt haben.
Mit dem Rau-Herausforderer Blüm, der als frischgekürter Chef der NRW-CDU 1987 gleich zum Brüter tingelte, wäre es anders gekommen: Blüm erklärte die Investitionsruine „für forschungs- und energiepolitisch unverzichtbar“. Noch am 4. Januar pries der Düsseldorfer CDU- Fraktionschef Helmut Linssen das „hochtechnologische Verfahren“ des Brüters, „das wir sicherlich im nächsten Jahrtausend brauchen“.
Das Jammern der Atomlobby, die Rau-Regierung habe den Brüter im Genehmigungsverfahren sterben lassen, trifft ja den Kern. Allerdings, wer die sichheitstechnischen Bedenken ernst nahm, wer die Risiken zu verdrängen nicht länger gewillt war, konnte gar nicht anders handeln. Das Atomgesetz selbst bot dafür die Grundlage. Die „Sabotage“ nach „Recht und Gesetz“, von der die Hohepriester der Atomtechnologie schwadronierten, hat es nicht gegeben. Allein die Anwendung von „Recht und Gesetz“ reichte. Gewiß, eine Genehmigungsbehörde, die politisch von Brüter-Fans geführt worden wäre, hätte sich über die Ängste und Einwände der Menschen hinweggesetzt und anders entschieden. Vielleicht sogar juristisch unanfechtbar. Auch deshalb muß das Atomgesetz verändert werden. Unabdingbar wird die Gesetzesänderung, weil der geltende rechtliche Rahmen zwar die Möglichkeit bietet, atomare Prototypen wie den Brüter aus Sicherheitsgründen gar nicht erst anzuknipsen. Nicht minder gefährliche alte Atomkraftwerke mit einer gültigen Genehmigung vorzeitig stillzulegen, kommt dagegen einem juristischen Hrdenlauf gleich. Walter Jakobs
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen