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Wurde Saddam von den USA in die Falle gelockt?

Die Ex-US-Botschafterin in Bagdad, April Glaspie, sagt vor dem US-Senatsausschuß aus/ Angeblich veröffentlichten Iraker ein frisiertes Protokoll ihres Gesprächs mit Saddam Hussein/ Es bleiben eine Menge Widersprüche im Verhalten Washingtons  ■ Von Andreas Zumach

Nach acht Monaten, in denen sie sich trotz harscher Kritik und Degradierung eisern an das verordnete Schweigen hielt, darf sie nun plötzlich reden. April Glaspie — bis zur irakischen Invasion in Kuwait am 2.August 1990 US-Botschafterin in Bagdad — trat gestern in einer öffentlichen Anhörung vor einem Senatsausschuß in Washington an, um ihre Version des umstrittenen Gesprächs mit Saddam Hussein kurz vor der Besetzung Kuwaits zum Besten zu geben. Doch sagte Glaspie am Mittwoch abend die Wahrheit? Nach ihrer Einlassung war das von Bagdad veröffentlichte Protokoll des Gesprächs falsch. Doch es bleiben wesentliche Fragen und Widersprüche. Unter anderem haben MitarbeiterInnen des State Department der taz im Februar eine Darstellung gegeben, die sich in einem entscheidenden Punkt von Glaspies Version unterscheidet.

Am 25. Juli letzten Jahres hatte Glaspie eine halbstündige Unterredung mit Iraks Präsdent Saddam Hussein. Der Londoner 'Observer‘ (am 21. Oktober) und andere Medien veröffentlichten Gesprächsausschnitte, die auf einem von der irakischen Regierung angefertigten Protokoll basierten. Dieses Protokoll war der US-Regierung bereits im September bekannt. Demzufolge versicherte Glaspie Hussein, die US- Regierung werde sich „nicht in innerarabische Schwierigkeiten wie Ihre Grenzdispute mit Kuwait einmischen“. Außerdem habe die Botschafterin dem Präsidenten einen „Ausbau und die Vertiefung der Beziehungen zwischen den USA und dem Irak“ angeboten. Unter Berufung auf das Gesprächsprotokoll und andere ihm vorliegende „geheime Unterlagen“, gab der 'Observer‘ seinerzeit auch ein Motiv für die Haltung Washingtons gegenüber Bagdad an: Die USA unterstützten Saddam Husseins Versuch, notfalls „auch mit Hilfe seiner Armee“ einen Verfall des Ölpreises zu verhindern bzw. diesen nach oben zu treiben. Davon — so die Londoner Wochenzeitung — hätten auch die US-Ölgesellschaften profitiert, die sich seinerzeit in großen finanziellen Schwierigkeiten befanden.

Diese Veröffentlichungen führten im letzten Herbst im US-Kongreß wie international zu massiver Kritik an der Golfdiplomatie der Bush-Administation. Saddam Hussein sei zur Invasion Kuwaits geradezu „eingeladen“ worden, erklärten demokratische Kongreßpolitiker. Die Veröffentlichungen nährten Spekulationen, Washington habe Bagdad eine Falle gestellt. Baker und sein für den Nahen Osten zuständiger Stellvertreter ließen die eigene Botschafterin damals im Regen stehen. Anstatt das irakische Gesprächsprotokoll sofort für falsch zu erklären und eine eigene Version zu veröffentlichen, leisteten sie der Version Vorschub, die erfahrene Karrierediplomatin Glaspie habe einen schweren Fehler begangen und degradierten die Botschafterin zur Beraterin.

In der Folge auftauchende Informationen, Glaspie habe keinen Fehler begangen, sondern sich bei ihrer Unterredung mit Hussein genau an ausdrückliche Weisungen der Spitze des Außenministeriums gehalten, wurden bis heute weder dementiert noch bestätigt. Baker erklärte lediglich mehrfach — zuletzt im Januar vor einem Kongreßausschuß — aus dem State Department würden wöchentlich tausende von Weisungen und Telexe verschickt, deren Inhalt er nicht alle kennen könne. Gegenüber der taz erklärten jedoch Mitte Feburar mehrere MitarbeiterInnen des State Department, in einem Safe werde ein Dossier unter Verschluß gehalten. Inhalt: die US-Version des Gesprächsablaufes die sich „bis aufs Komma“ mit der von Hussein veröffentlichten decke, sowie eine von Außenminister Baker unterschriebene Anweisung an Glaspie, Hussein das zu sagen, was sie ihm nach Darstellung Bagdads dann auch gesagt hat.

Vor dem Auswärtigen Ausschuß des Senats erklärte Glaspie nun, das irakische Gesprächsprotokoll sei „keine wörtliche Mitschrift“, sondern nur eine „teilweise inakkurate Wiedergabe“, eine „Desinformation“ und „Fabrikation“. Auf Nachfrage von Senatoren bestätigte sie zwar die ihr in den Mund gelegten Sätze, erklärte aber, die Iraker hätten Äußerungen „weggelassen“. So habe sie Saddam Hussein erklärt, die USA würden sich nur so lange nicht in die irakisch-kuwaitischen Streitigkeiten einmischen, solange diese „durch Verhandlungen und ohne Gewalt“ gelöst würden.

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