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Crash-Kur für die Ostwirtschaft

■ Wirtschaftsforschungsinstitute fordern rasche Aufhebung der Kurzarbeiterregelungen und des Kündigungsschutzes/ Öffentliches ökologisches Sanierungsprogramm soll neue Arbeitsplätze schaffen

Berlin (taz) — Für eine möglichst rasche Abschaffung der Kurzarbeiterregelung und ein Auslaufen des Kündigungsschutzes in den neuen Bundesländern haben sich das Berliner Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IWW) ausgesprochen. In ihrem Bericht „Gesamtwirtschaftliche und unternehmerische Anpassungsprozesse in Ostdeutschland“ fordern sie den Vorrang der Privatisierung vor der Sanierung ehemaliger DDR-Betriebe, um den schleppenden Strukturwandel im Osten zu forcieren.

Eine Heilung der kranken Ostwirtschaft erwarten sie in nächster Zeit nicht durch Investitionen westlicher Unternehmen, die vor allem durch folgende Hemmnisse von einem Engagement abgehalten würden: fehlende Infrastruktur, eine teilweise unklare Gesetzeslage, Privatisierungsverzögerungen durch die Treuhand und unüberschaubare Großbetriebe mit viel zu vielen Beschäftigten.

„Patentrezepte gibt es nicht“, durch die die Ostwirtschaft sofort gesund werden könnte, stellen die Institute fest. Ihr Therapievorschlag: klotzen statt kleckern. In den nächsten drei Jahren sollte ein umfangreiches ökologisches Sanierungsprogramm von Ländern und Gemeinden, die entsprechend finanziell ausgestattet werden müßten, aufgelegt werden. Das könnte gleichzeitig „einen erheblichen Beitrag zur Abfederung von Arbeitslosigkeit leisten“, so DIW und IWW. Danach könnte das „Beschäftigungstal durchschritten“ sein. Ein derartiges Programm sei keine Alternative zur Schaffung von Arbeitsplätzen in der privaten Wirtschaft, „sondern im Gegenteil sein integraler Bestandteil: Es kann und soll darin einmünden, daß sich Unternehmen dauerhaft im Bereich der Sanierung betätigen, für den es auf absehbare Zeit im Osten Deutschlands keinen Auftragsmangel geben dürfte.“

Auf lange Sicht, so die Institute, sei die Finanzierung eines ökologischen Sanierungsprogramms sogar billiger als die Finanzierung einer hohen Arbeitslosigkeit: Bei Sanierung steige der Verkaufswert, und hinzu kämen die Gewinne für die Umwelt, was sich wiederum ökonoisch rechne, weil „unterlassene Maßnahmen sehr hohe Folgekosten haben können“.

Die derzeitige Situation der ostdeutschen Industrie beschreiben die Institute als „besorgniserregend“. Es sei gar mit einer weiteren Verschlechterung zu rechnen. Die ForscherInnen begründen das mit der wahrscheinlich abflachenden Konjunktur im Westen, in deren Folge Westfirmen noch weniger die Neigung verspüren würden, östlich der Elbe zu investieren. Chancen, sich bald relativ gut zu entwickeln, räumen die Institute im Osten lediglich der Bauwirtschaft ein. Donata Riedel

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