piwik no script img

Frauenarbeit im Strafvollzug

■ In Strafvollzug und Straffälligenhilfe spielen Frauen nur die zweite Geige

Frauen sind weniger gewalttätig als Männer, sie begehen nur 20 Prozent aller Straftaten, und das sind meistens Eigentumsdelikte. Nur 4 Prozent aller Inhaftierten sind Frauen. Bei ihnen besteht in der Regel kein Sicherheitsrisiko. Sie lassen sich deswegen (aus Sicht des Strafvollzugs) „bequem untermischen“: Reine Frauenknäste sind selten.

Doch genau so selten sind frauenspezifische Initiativen in der Straffälligenhilfe: In Bremen gibt es ein Frauenprojekt erst seit gut zwei Jahren. In anderen Bundesländern, wie z.B. in Schleswig- Holstein, gibt es, trotz eines relativ großen Frauengefängnisses in Lübeck, keine entsprechende Anlaufstelle für inhaftierte Frauen.

2 Jahre Frauenarbeit beim Verein Bremische Straffälligenhilfe

Lotte Brodde, die all das erzählt, ist Sozialarbeiterin beim Verein Bremische Straffälligenbetreuung. Zusammen mit dem Frauenprojekt am Landgericht Bremen, das seit rund fünf Jahren innerhalb der Justiz mit straffällig gewordenen Frauen arbeitet, hatten sie gerade eine erste Fachtagung „Frauenarbeit im ambulanten Straffälligenbereich“ in Bremen organisiert.

„Das Bedürfnis zu Diskussion und Erfahrungsaustausch ist riesengroß“, sagt Brodde. An den zwei Tagen habe die Zeit längst nicht ausgereicht, um die unterschiedlichen Ansätze der einzelnen Initiativen auch nur annähernd kennenzulernen und zu hinterfragen. Das Forum soll deshalb zu einer festen Einrichtung werden — möglichst zweimal jährlich, das nächste Mal im Herbst.

Während in Bremen Straffälligenbetreuung und Frauenprojekt beim Landgericht eng zusammenarbeiten, auch gemeinsame Teambesprechungen haben, lehnen die HelferInnen im Frankfurter Frauenknast, deren Initiative von der AWO getragen wird, jegliche Zusammenarbeit mit der Justiz ab. Und während die Bremer Frauenprojekte sich für eine frühzeitige Kontaktaufnahme mit Ziel Haftvermeidung einsetzen, hatten die Münchner KollegInnen genau dies mit dem Argument in Frage gestellt, sie „wollten der Polizei nicht die Arbeit abnehmen.“ „An diese Themen müssen wir noch genauer ran“, meint Lotte Brodde.

In Bremen sitzen derzeit 17 Frauen ein. Auch hier die meisten wegen Eigentumsdelikten. Und weil die Zeit danach, nach der Haftentlassung, wegen des katastrophalen Wohnungsmarktes für sie immer schwieriger wird, hat die Bremische Straffälligenbetreuung zusammen mit dem Verein Wohnungshilfe e.V. im November ein Haus gekauft.

Ein Haus mit fünf Wohnungen für haftentlassene Frauen

100.000 Mark hatte der Justizsenator hinzugeschossen. Jetzt können dort fünf Frauen in Einzelwohnungen, zwei davon mit Kindern, unter loser Betreuung leben: Für 410 bis 580 Mark Miete, je nach Größe von Wohnung und Einkommen. Ein Jahr sollen die Frauen dort wohnen können, bis sie eine andere Wohnung gefunden haben. „Die Erfahrungen sind gut“, versichert Sozialarbeiterin Brodde. Ihrer Ansicht nach braucht man Frauen die Strafen auch nicht automatisch zur Bewährung auszusetzen: Der Kontakt zu ihrem Verein zum Beispiel reiche. „Frauen gehen ganz anders an ihre Haftentlassung heran als Männer“, berichtet sie. Frauen wollen schon vorher abklären, wie es weitergeht. Viele würden auf Aus- oder Fortbildung hinarbeiten. Doch meist bliebe anschließend trotzdem nur der Job als Putzfrau.

Doch das Frauenprojekt kümmert sich nicht nur um straffällige Frauen, sondern auch um PartnerInnen, deren Männer im Knast sind: Wie ihre Wohnung zu erhalten, die Kinder zu versorgen, die Spannungen im sozialen Umfeld und in der zwangsweise getrennten Beziehung auszuhalten sind. „Der Strafvollzug sieht in den Frauen doch nur einen Resozialisierungsfaktor der Männer“, erklärt Brodde. „Von dieser Funktionalisierung wollen wir weg.“ Die Probleme der Frauen seien meist zweitrangig. „Da muß man ran, aber ohne ihnen ein sozialpädagogisches Konzept überzustülpen.“

Mit einem gemeinsamen Faltblatt wollen die Frauenprojekte die Betroffenen erreichen. Die Bitte, das Infoblatt mit Kontaktadressen gleich zusammen mit der Anklageschrift den Frauen zuzustellen, wurde jetzt der Staatsanwaltschaft übermittelt. Ob sie diesen Wunsch der Betreuerinnen allerdings erfüllen wird, darüber gab es gestern noch keine Rückmeldung. ra

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen