: Hamburgs FDP von Sekte durchgeistigt
Hamburgs FDP von ScientologInnen durchwandert?/ Freiheitlich-spirituelle Geschäfte abgewickelt/ SPD nützt Vorwahlkampfsituation/ In der Handwerkskammer bildet Scientologin aus ■ Aus Hamburg Jürgen Oetting
Ist die hanseatische FDP von Mitgliedern der umstrittenen „Scientology-Sekte“ unterwandert? Und die Handwerkskammer auch? Hat die umstrittene Sekte ihre Riesenkralle schon über die ganze Stadt Hamburg gelegt?
Die Schlagzeilen und Aufmacher der Hamburger Lokalblätter dieser Woche lassen den Schluß zu, alles sei bereits in der Hand der ScientologInnen. Inzwischen hat der Senat reagiert und will der Sekte die Rechtsfähigkeit als eingetragenem Verein entziehen. Damit wäre ihre Geschäftsfähigkeit massiv eingeschränkt. Schon Anfang dieses Jahres hatte das Hamburger Verwaltungsgericht entschieden, die ScientologInnen müßten ihre wirtschaftlichen Aktivitäten anmelden. Gleichzeitig wurden ihnen die Privilegien einer Religionsgemeinschaft entzogen. Die Sekte, vom dubiosen US- amerikanischen Science-Fiction- Autor L. Ron Hubbard gegründet, macht nach Untersuchungen von Experten in weltweit 260 „Missionen“ Milliardenumsätze mit dem Verkauf von Büchern, Platten und Kursen zur Selbsterkennung. Ihre „philosophische“ Methode nennt sich Dianetik. Die Sekte ist berüchtigt dafür, AnhängerInnen in finazielle und psychische Abhängigkeit zu treiben. In Deutschland soll sie rund 300.000 Mitglieder haben, ihr deutsches Zentrum siedelte sie in Hamburg/St.Georg an. Gegen ein geplantes zweites Zentrum im Stadtteil Eppendorf formierte sich parteiübergreifender BürgerInnenprotest.
SPD-Bezirkspolitiker, die in einer der Bürgerinitiativen gegen die Dianetiker engagiert sind, nutzten die Situation, um erste Duftmarken für den Bürgerschaftswahlkampf zu setzen. Sie verbreiteten, die FDP sei von ScientologInnen unterwandert und außerdem hätten namhafte Liberale Geschäfte mit Sektenmitgliedern gemacht. Tatsächlich hatte ein FDP-Kreisvorsitzender dem Hamburger Ober-Dianetiker Götz Brase einen Kredit verschafft. Der FDP- Fraktionsvorsitzende in der Bürgerschaft, Frank-Michael Wiegand, hatte außerdem mit dem selben Brase, ein eingeschriebenes FDP- Mitglied, ein deftiges Inmobiliengeschäft abgeschlossen.
Die Freidemokraten reagierten aufgescheucht. Ihr Landesvorstand formulierte einen Unvereinbarkeitsbeschluß und forderte Brase und ein weiteres Sektenmitglied zum sofortigen Parteiaustritt auf. Die neugierig gewordene Boulevardpresse recherchierte weiter: bei der FDP ohne Ergebis. Dafür wurde aber en passant ermittelt, daß auch die Handwerkskammer „unterwandert“ ist. Eine Scientologin bildet als Leiterin der Akademie der Handwerkskammer Meister in Betriebswirtschaft und Menschenführung aus. Inzwischen sind auch Hamburgs SportjournalistInnen spitz auf die Sekte. Die will in Hamburg heute einen „populären“ französischen Autorennfahrer präsentieren. Als Objekt des Scientologen-Sponsoring.
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