: Vorlauf: Der Herr und sein Knecht
■ "Der Diener" von Wadim Abdraschitow, 22.45 Uhr, ZDF
Der Film behandelt ein uraltes Thema. Ein Mann hat seine Seele verkauft. Nicht an den Teufel persönlich, sondern an einen seiner weltlichen Repräsentanten, den einflußreichen Funktionär Gudionow. Pawel war dem Parteibozen immer ein ergebener Diener, erriet unausgesprochene Wünsche, heiratete der Form halber sogar die Geliebte seines Herrn und schreckte auch vor einem Mordversuch an dessen politischen Widersacher Brysgin nicht zurück. Zur Belohnung für seine absolute Ergebenheit verhalf Gudionow seinem Diener schließlich zu einer glänzenden Dirigentenkarriere. Längst meint Pawel, die unrühmliche Vergangenheit hinter sich gelassen zu haben, da taucht der alte Herr wieder auf. Wie selbstverständlich quartiert sich Gudionow, der lange Jahre verschunden war, im Haus des Dirigenten ein und beansprucht wieder Pawels Sklavendienste. So sehr der sich auch gegen die alte Rolle sträubt, so zwanghaft unterwirft er sich doch wieder dem Tyrannen.
Der sowjetische Regisseur Abdraschitow realisierte den Film 1988. Es sei eine „Parabel auf die Sowjetunion und die Schwierigkeiten der Perestroika“, erklärte er auf einer Pressekonferenz während der Berlinale 1989, wo der Film im Wettberwerbsprogramm lief und mit dem Alfred-Bauer-Preis ausgezeichnet wurde. Seitdem haben sich die Probleme mit dem neuen Denken in der UdSSR eher noch verschärft und Abdraschitows pessimistische Weltsicht scheint angebrachter denn je. Die Geschichte von Herr und Knecht, von gegenseitiger Versklavung und von der Macht der Vergangenheit, die einen immer wieder einholt, erzählt Abdraschitow auf sehr verschlüsselte, zuweilen rätselhafte Art. Manche der versteckten Anspielungen sind für Uneingeweihte nur schwer zu deuten. Eine wichtige Rolle spielt die Musik. Mal dudelt die sowjetische Nationalhymne im Transitorradio, während ein Mann und ein Fuchs sich im Wald gegenseitig anknurren, mal hört man zu einer Busfahrt durch eine dämmerige Waldlandschaft ein hektisches Dies Irae mit Popmusikeinlagen. Die Musik kontrastiert oder kommentiert die Bilder. Nie ist sie bloße Untermalung.
Bei der taz-Kritikerin Christiane Peitz hinterließ Der Diener während der Berlinale '89 zwiespältige Gefühle. Von einigen raffinierten Regieeinfällen begeistert, beklagte sie doch die allzu rätselhafte Inszenierung: „Es scheint, als ob die sowjetischen Regisseure zwar jetzt die Freiheit haben, zu filmen, was und wie sie wollen, bloß wissen sie noch wenig damit anzufangen. Vielleicht liegt es ja am jahrzehntelangen Zwang, ihre Anliegen verstecken zu müssen, daß viele von ihnen bis heute nichts anderes können, als in Rätseln zu sprechen.“ utho
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen