PORTRAIT
: Der „kleine Volker“ im Rampenlicht

Im Zweifelsfall ein Kompromiß: Die Frankfurter SPD wählte den Hauff-Vertrauten Andreas von Schoeler zum Oberbürgermeister-Kandidaten  ■ Aus Frankfurt Heide Platen

Schoeler, Andreas von, 42 Jahre alt, verheiratet, zwei Kinder, geboren in Ostpreußen, ist ein Kompromißkandidat. Der neue Frankfurter Oberbürgermeister ist eigentlich fast so wie der alte — nur in allem etwas kleiner und dezenter: in der Statur, im vollmundigen Anspruch an sich selbst, im Geschmack beim Schneider. Da, wo sein Vorgänger Volker Hauff mit dem Charme eines schwäbischen Teddybärs weit ausholte, macht von Schoeler vornehme, winzige Gesten. Der Siegelring am linken kleinen Finger, die silberne Zigarettenspitze, konservative Krawatten und graue Anzüge gehören zur Grundausstattung des Mannes, der in der Main-Metropole schon vor seiner Amtsübernahme als „der kleine Volker“ galt. Er sagt denn auch von sich selber, bisher habe er eher im Verborgenen, „nach innen“, gewirkt, als derjenige, der Hauff „den Rücken freigehalten hat“.

Andere, gemeinere GenossInnen nannten ihn schon zu der Zeit, als er noch als Staatssekretär im Wiesbadener Landtag agierte, den „Sonnen-Banker“. Das meinte nicht nur den immer leicht gebräunten, glatten, faltenlosen Teint. Sie betrachteten von Schoeler und dessen politischen Werdegang mit einigem Mißtrauen — ein Karrieresüchtiger, der 1972 mit 24 Jahren als jüngster Abgeordneter in den Bundestag einzog. Allerdings nicht für die Sozialdemokraten, sondern für die FDP. Dort sei er, sagen alte Bekannte, eigentlich nur geblieben, weil er den Anschluß an die 68er Revolte, mit der er eigentlich sympathisierte, verpaßt habe. Während seine Parteifreunde von den Jungdemokraten, wie alle anderen auch, auf den Frankfurter Straßen demonstrierten, diente er bei der Bundeswehr. Während seine Freunde sich die Haare wachsen ließen, mußte er sich am Wochenende, kurzgeschoren, beim Bier im Club Voltaire frotzeln lassen. Der strenge Vater hatte das so befohlen: ohne Wehrdienst kein Jura-Studium. Erst 1982, zur Bonner Wende, ist von Schoeler aus der FDP aus- und in die SPD eingetreten. Organisationserfahrungen sammelte er zwischendurch in der Marketingabteilung eines Elektrokonzerns. Daß er aus der Reihe der elf Kandidaten, die die in der letzten Woche ständig tagende Findungskommission der SPD zu sortieren hatte, und die vom Bremer Import Henning Scherf bis zur südhessischen SPD-Vorsitzenden Heidi Wieczorek-Zeul ging, übrigblieb, macht seine Ausgangssituation in der eigenen Partei nicht leichter.

So diktierte denn auch gleich die im Krach um Volker Hauff zurückgetretene Frankfurter Parteivorsitzende, Anita Breithaupt, ihre Meinung in die gespitzten Stifte der JournalistInnen: „Wir haben einen Kandidaten gewählt, der von der Partei getragen wird — wenn auch nicht mit dem Herzen, dann doch mit dem Verstand.“

Und der Verstand gebot, mit Blick auf die Kommunalwahlen im Mai 1993, gegen allen Widerwillen Parteiräson und damit eine Fortsetzung der Hauffschen Politik ebenso wie der rot-grünen Koalition. Dafür, hieß es denn auch immer wieder nachdrücklich, sei von Schoeler „der Garant“. Der verlegte sich in der späten Pressekonferenz am Freitag abend und gleich anschließend in einer Talkshow auf den Spagat, allen wohl- und niemandem wehtun zu wollen: Er werde den wirtschaftlichen Aufschwung der „spannenden Stadt“ Frankfurt ebenso befördern wie zur Lösung sozialer Probleme nutzen. Dies solle durch Kommunikation und noch einmal Kommunikation, mit den Bürgern wie mit der eigenen Partei, erreicht werden.

Ähnlich hatte sich auch Volker Hauff in sein Amt eingeführt, dessen Erfolge allerdings nie so richtig sichtbar geworden waren. Vor allem der parteiinterne Diskurs, stellte die Kommission selbstkritisch fest, hatte schlicht nicht stattgefunden. Das „Jobticket“ für städtische Angestellte, außer den 1.500 neugeschaffenen Kindergartenplätzen das einzige in zwei Jahren wirklich öffentlich gewordene Erfolgsprojekt, präsentierte Volker Hauff genau einen Tag vor seinem Rücktritt. Der Marketing-Mann Andreas von Schoeler hat sich als Nachfolger bereits daran gemacht, das Gewesene wie das Künftige besser zu verkaufen. Auf Schritt und Tritt lobt er die Politik des „rot-grünen Frankfurter Erfolgsbündnisses“. Die Grünen teilten mit, sie seien mit der Wahl des Kandidaten zufrieden.