: Kot, Präservative und Spritzen
■ Betr.: "Bitte keine Sperrbezirke" und "Huren sollen verbannt werden", taz vom 9.3.91
Betr.: »Bitte keine Sperrbezirke« und »Huren sollen verbannt werden«, taz vom 9.3.91
Ach, wär das schön, wenn dieser geplagte Bezirk Tiergarten-Süd wenigstens für ein paar Jahre zum Sperrbezirk werden würde. Den Slalom zwischen Menschen- Kot und -Urin, Erbrochenem, Präservativen und Spritzen — vom Müll gar nicht zu reden — diesen Slalom würde ich meinen Kindern gerne ersparen, wenn ich sie morgens und mittags auf dem Schulweg begleiten muß, weil man sie aufgrund der sexuellen Übergriffe nicht alleine gehen lassen kann.
Ich weiß, daß damit die Probleme der Huren und Fixer nur verschoben und nicht gelöst werden [...], aber die Probleme der Tiergarten-Südler werden auf jeden Fall gemildert, denn wenn die Huren woanders sind, sind auch die Fixer und Dealer woanders. So eine Atempause hätten wir verdient, und dieses Geschenk würde ich gerne auch von der CDU annehmen. Freimut Wössner
Betr.: s.o.
Die Berichterstattung über den geplanten Sperrbezirk in Tiergarten-Süd zeichnet sich dadurch aus, daß über die Ursachen, die zu diesem Beschluß führten, kaum berichtet oder nachgedacht wurde. Es geht hier nicht um die in diesem Bezirk real-existierenden Kinder, die in hoher Zahl die zahlreichen Kitas und (bald) zwei Grundschulen besuchen, und deren Alltag durch Bedrohung auf dem Schulweg und Spritzen auf den Spielplätzen gefährdet ist. Es stellt sich in der Tat die Frage, ob der Strich in diesem Gebiet noch zu vertreten ist. Einen Sperrbezirk zu verkünden, ohne gleichzeitig andere Gebiete frei zu machen, erinnert allerdings nur an das hilflose St. Floriansprinzip. [...]
Die Diskussion um dieses Problem muß in erster Linie aus der Sicht der Kinder geführt werden — gerade weil Kinder sonst keine Lobby haben, auch in der taz nicht. [...] Hurenpolitik, so richtig und erfolgreich sie bisher war, ist die Politik, die die Interessen einer gesellschaftlichen Gruppe vertritt. Diese kann in besonderen Fällen (wie hier) die Interessen einer anderen gesellschaftlichen Gruppe (hier die der Kinder) beeinträchtigen. So ist das nun mal in einer pluralistischen Gesellschaft. Der Konflikt entgegengesetzter Interessen muß gelöst werden. Das geht nicht mit Diffamierungen (wie im Gastkommentar). Mit diesem BVV-Beschluß zum Sperrbezirk geht es möglicherweise auch nicht. Wer kümmert sich darum, wie es geht? M. Claudi
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen