Einen Monat kuren, zwei zahlen

■ Finanzsenator Grobecker setzt höheren Eigenanteil bei Kuren durch

Für ihre Kuren müssen die BremerInnen jetzt 50 Prozent mehr bezahlen als noch vor einem Jahr. Noch im Jahr 1990 verlangte das Sozialamt von Frau M., deren Einkommen knapp über Sozialhilfe liegt, für ihre Kur im Mütterkurheim einen Eigenanteil von 1.067 Mark.

Fährt Frau M. mit ihren beiden Kindern dieses Jahr wieder zur Kur, beträgt der Eigenanteil schon 1.594 Mark. Der Grund: Das Sozialamt zieht für die Berechnung von Frau M.s Eigenanteil an den Kurkosten nicht mehr ein Monatseinkommen heran, sondern zwei Monatseinkommen. Das ist die Folge eines Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom Dezember 1989. Auf Antrag der Grünen beschloß die Sozialdeputation der Bürgerschaft im Dezember, die alte Praxis beizubehalten, doch Bremens Finanzsenator Claus Grobecker kippte den Beschluß.

„Das Urteil hat zur Folge, daß Menschen mit einem Einkommen knapp über der Sozialhilfe für ihre Kuren einen um 50 Prozent höheren Eigenanteil bezahlen müssen“, erklärt Albrecht Lampe vom Deutschen Päritätischen Wohlfahrtsverband. Diese Neuregelung trifft alle die, deren Kur zum Beispiel vom 15. März bis zum 15. April dauert, also in zwei aufeinanderfolgenden Monaten liegt. Frau M. mit ihren beiden Kindern hält sich tatsächlich nur einen Monat im Kurheim auf, aber das Sozialamt zieht ihr für zwei Monate,März und April, den Eigenanteil vom monatlichen Einkommen ab.

Als die Sozialbehörde die Erhöhung des Eigenanteils in ihre Vorschriften aufnahm, stimmte die Sozialdeputation Ende letzten Jahres dagegen. Das Sozialamt könne als freiwillige Leistung mehr Geld zu den Kuren beisteuern als es gesetzlich verpflichtet ist, meint Jens Schröter, der einen Sitz mit beratender Stimme in der Deputation innehat.

Finanzsenator Claus Grobecker sprach sich jedoch gegen diese Regelung aus, mit der das BVG-Urteil umgangen würde. Grobeckers Argumentation: Bremen erhalte aus dem Länderfinanzausgleich mehr Geld als andere Bundesländer, deshalb könne es sich jetzt nicht durch besondere Großzügigkeit hervortun. Caroline Linnert, Mitarbeiterin bei den Bremer Grünen: „Grobecker hat den Beschluß der Sozialdeputation gekippt.“ Nach dem Deputations-Beschluß hatte sich die Sozialbehörde noch um eine sanftere Lösung bemüht, war aber auch Grobeckers Hartnäckigkeit gescheitert.

Was in Bremen nicht möglich zu sein scheint, wird in Bremerhaven jedoch praktiziert. Dort ist ein Fall bekannt, bei dem das Sozialamt die rigide Neuregelung umgangen hat. Das Bremerhavener Sozialamt erließ der kurenden Mutter einen Betrag, den es theoretisch hätte einfordern können.

Albrecht Lampe: „Die Bremerhavener haben ihren Ermessungsspielraum mutig und offensiv ausgelegt. Das muß so sein, damit Kuren nicht verhindert werden.“

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