Klienteldiktatur und Klienteldemokratie

■ Der Militärputsch in Mali wirft ein Schlaglicht auf die französische Afrika-Politik

Klienteldiktatur und Klienteldemokratie Der Militärputsch in Mali wirft ein Schlaglicht auf die französische Afrika-Politik

In der Sprache der Mandingo gibt es ein Wort, das zugleich Erniedrigung, Beleidigung, Geringschätzung und Herausforderung bedeutet: monnè. Wer monnè erfährt, lebt in einem permanenten Jammerzustand, es ist eine Schmach, die um jeden Preis zu vermeiden ist. Die Unterwerfung der Mandingo-Könige im heutigen Mali durch die Franzosen vor hundert Jahren war eine solche Schmach. Als 1960 die französischen Territorien in Westafrika unabhängig wurden, hofften die neuen Herrscher, nun sei die Zeit der Würde angebrochen. Doch die Unabhängigkeit war weniger eine afrikanische Errungenschaft denn ein Geschenk aus Paris. In dem Geschenk steckte das Gift einer neuen Abhängigkeit.

Die Offiziere, die gestern in Mali die Macht übernommen und Präsident Moussa Traore gestürzt haben, unterscheiden sich in keiner Weise von den Offizieren, die vor 23 Jahren in Mali die Macht übernahmen und Präsident Modibo Keita stürzten. Damals wie heute wurde geputscht, um den Wüstenstaat aus seiner Misere zu führen. Damals wie heute war der weggeputschte Machtinhaber der französischen Schutzmacht peinlich geworden. Und damals wie heute opferte Paris seinen Protegé im Präsidentenpalast, um ein Klientelsystem zu retten.

Frankreich schafft es dennoch, die alte Politik als eine neue auszugeben. Wie Präsident Mitterrand im Juni letzten Jahres den zum französisch-afrikanischen Gipfel versammelten Staatschefs im Badeort La Baule erklärte, ist in Afrika nun Demokratie angesagt, und so putscht man eben im Namen der Demokratie. Im Dezember 1990 war es Hissein Habre im Tschad, dem die französische Nichteinmischung zum Nachteil geriet. Der jetzt dort regierende Idriss Deby hat seinem Volk Demokratie versprochen; bislang ist es bei dem Versprechen geblieben. In Mali wird es kaum anders aussehen.

Während in Bamako geputscht wurde, plauderte in Paris Gabuns Präsident Omar Bongo, der letztes Jahr erst durch die Intervention französischer Soldaten zur Tolerierung eines politischen Pluralismus in seinem Land gezwungen wurde, eine Grundwahrheit der abhängigen afrikanischen Unabhängigkeit aus: „In Afrika bestimmt die Ökonomie die Politik.“ Will heißen: Gegen monnè hilft nur money. Paris hat bereits deutlichgemacht, daß es fortan Geld nur gegen die Zusage von Schritten zur Demokratie sprudeln lassen wird. In Benin, wo am 1. April Nicéphore Soglo, der ehemalige Afrika-Direktor der Weltbank, sein Amt als freigewählter Präsident antritt, wird vorexerziert, was nach dem Wunsch der Franzosen zum neuen politischen Modell für Afrika reifen soll: Aus der Klienteldiktatur wird eine Klienteldemokratie, die der wachsenden Unzufriedenheit der Afrikaner Rechnung trägt und ihnen mehr Freiheiten gibt, jedoch die Ursachen der Unzufriedenheit nicht beseitigen kann. Wie lange kann es sich Frankreich noch leisten, die immer stärkeren Hoffnungen der afrikanischen Völker auf ein Ende der monnè für Zwecke der eigenen Machtpolitik auszunutzen? Dominic Johnson