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Kurdische Führer kehren aus Exil zurück

■ Talabani und Barzani im befreiten Teil des irakischen Kurdistan eingetroffen/ Diskussionen über Bildung einer Übergangsregierung/ Regime verstärkt Angriffe auf Kirkuk und andere kurdische Städte

Arbil/Washington (wps) — Die Führer der beiden wichtigsten Organisationen des irakischen Kurdistan, Jalal Talabani und Massud Barzani, sind in ihre befreite Heimat zurückgekehrt. Beide regten die Bildung einer Übergangsregierung an.

Talabani, der Vorsitzende der Patriotischen Union Kurdistans (PUK), traf am Dienstag nach drei Jahren im Exil in der Stadt Zahko nahe der türkischen Grenze ein, wo er von rund Zehntausend jubelnden Menschen empfangen wurde. Er kündigte an, daß er noch in dieser Woche mit Barzani von der Demokratischen Partei Kurdistans zusammentreffen wolle, um darüber zu beraten, wie die Dikatur durch eine demokratische Regierung ersetzt werden könne. Es sei jedoch noch nicht entschieden, ob die kurdischen Oppositionsgruppen eine wirkliche Übergangsregierung bilden könnten oder statt dessen ein Rettungskomitee ins Leben rufen. Nach freien Parlamentswahlen sollte die Bevölkerung dann über die Regierung des autonomen Kurdistan entscheiden. Zunächst würden die Kurden in den befreiten Gebieten eine Verwaltung aufbauen.

Barzani, der zugleich der militärische Führer der Dachorganisation, der Kurdischen Front, ist, gab am Sonntag in Arbil bekannt, er habe die Führer der irakischen Opposition eingeladen, in die Stadt zu kommen und über die Bildung einer provisorischen Regierung zu beraten. Als wichtigste Bedingung für einen solchen Schritt bezeichnete er eine internationale Anerkennung. Über die Chancen äußerte er sich jedoch skeptisch: Auf die Frage, ob die USA angesichts der veränderten Haltung der Türkei nun auch ihre Position überdacht hätten, entgegnete Barzani: „Auf diesem Gebiet sehen wir keine Änderung.“

Barzani beteuerte erneut, daß die Kurden keinen unabhängigen Staat anstrebten. Sie forderten vielmehr eine Autonomieregelung und eine Mitsprache in der Regierung, „damit sich die Kurden nicht länger als Bürger zweiter Klasse fühlen“. Im März 1970 war bereits einmal ein Autonomiestatut mit Bagdad ausgehandelt worden, daß die irakische Regierung jedoch nicht eingehalten hatte. Im befreiten Kurdistan würden keine kurdischen Fahnen gehißt, weil es in jedem Falle noch Teil des Irak sei. Damit ging Barzani indirekt auf Befürchtungen in den Nachbarstaaten und im westlichen Ausland über einen Zerfall des Landes ein.

Er bezog sich auch auf die reservierte Haltung unter der arabischen Bevölkerungsmehrheit des Landes gegenüber den Kurden. Dies sei der Grund dafür, daß die Guerillakämpfer, die nun in der Umgebung des Erdölzentrums Mossul stünden, die Stadt nicht angreifen würden. Denn Mossul ist keine mehrheitlich kurdische Stadt. Aus dem gleichen Grund, so Barzani weiter, würden die Kurden nur gemeinsam mit oppositionellen arabischen Kräften auf Bagdad marschieren. „Wir wollen nicht, daß Araber und Kurden gegeneinander kämpfen“, sagte er. Die Kurden stellen rund ein Fünftel unter den 17 Millionen Irakern.

Die kurdischen Kämpfer, die Peschmergas („Die dem Tod entgegen gehen“) haben seinen Angaben zufolge seit Beginn des Aufstands rund 5.000 Tote und Verletzte zu beklagen, davon allein 3.000 bei der Einnahme der Stadt Kirkuk, des zweiten großen Erdölzentrums im Norden des Landes. Barzani wies darauf hin, daß die irakische Armee vermutlich alles daran setzen wird, um Kirkuk zurückzuerobern. Die Stadt werde mit Hubschraubern angegriffen. Auch die Gegenattacken auf andere Städte wie Kifri und Tus Churmatu im südlichen Kurdistan sowie Kallar seien innerhalb der letzten Tage deutlich intensiviert worden. US- Angaben zufolge sind die Regimetruppen derzeit dabei, sich in der Umgebung von Kirkuk zu sammeln.

Im Südirak sind die Soldaten Saddam Husseins jetzt dabei, ihre Kontrolle auszubauen und in kleinere Ortschaften einzurücken, nachdem sie die Aufstände in den größeren Städten niedergeschlagen haben. Dennoch kommt es immer noch zu Auseinandersetzungen und Schußwechseln. Die Lage sei noch im Fluß, da die Rebellen ihre Aktivitäten erneut aufnehmen würden, sobald die Regimekräfte eine Region wieder verließen, beschrieb ein Sprecher des Pentagon die Verhältnisse.

Nach Darstellung der irakischen Zeitung 'Al Jumhuriayah‘ ist im Süden dagegen wieder Ruhe eingekehrt. Die Behörden würden wieder normal arbeiten, nach den Schulen hätten auch die Universitäten ihre Tore wieder geöffnet, hieß es in dem Bericht.

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