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Farbenfroh ins Massengrab

■ In „United colors of Benetton“ stirbt es sich bunter/ Warum nicht mal ein Soldatenfriedhof als Werbeträger?

Berlin (taz) — Ob schwarz, gelb, weiß oder braun, alle Menschen sind gleich — und alle können sie Benetton tragen. Frech-fröhliche Gesichter verschiedenster Hautfarben transportieren die Botschaft der italienischen Bekleidungsfirma.

Alle Menschen sind gleich — vor allem unter der Erde. Aber auch hier braucht man auf Benettons Farbenpracht nicht zu verzichten. Grabsteine schimmern in zartem blau-grau. Schön mit weiß abgesetzt stehen sie auf einer in sanften Grüntönen leuchtenden Wiese: ein Soldatenfriedhof. Unzählige Kreuze für noch mehr Tote verkünden: „United colors of Benetton“. So präsentiert sich der neueste Werbegag des Mailänder Unternehmens im 'Stern‘.

Greuel, Vernichtung und Tod: seit dem Golfkrieg eifrig konsumierte Alltagskost. Absatzstrategen wären nicht ihresgleichen, wenn die diesen Trend nicht nutzten. So schickte „Camel“ die Jungs vom Bund als Werbeträger an den Rand der Wüste. Warum dann nicht auch Produktwerbung mit toten Jungs? „Mit Entsetzten haben wir die doppelseitige Anzeige der Fa. Benetton im letzten 'Stern‘ gesehen,“ schrieben gestern MitarbeiterInnen von Gruner+Jahr an ihre Geschäftsleitung und fordern sie auf, „sich von dieser zynischen Anzeige zu distanzieren, sie zukünfig nicht mehr abzudrucken und sich bei seinen Lesern im nächsten Heft für diese Entgleisung zu entschuldigen.“ Sehr weit werden sie wohl mit diesem Appell nicht kommen, denn hellsichtig heißt es in dem Brief weiter: „Wir folgern daraus, daß es für G+J keine ethischen und moralischen Grundsätze gibt, solange man Geld verdienen kann.“

Eine Doppelseite im 'Stern‘ bringt immerhin rund 170.000 Mark, und deshalb hat auch der Leiter der Anzeigenabteilung des Blatts „grundsätzlich keine Probleme“. Denn, „das ist nicht meine Aufgabe“, sagte Rolf Grimm gestern freimütig. Immerhin aber hat ihm Benetton soviel Magenschmerzen bereitet, daß er sich die Mühe machte und bei der Werbeagentur J.W. Thomson nachfragen ließ. Es würde sicherlich Ärger geben, kündigte er an. Wollte der Kunde auch auf dieses Risiko hin auf dem Motiv bestehen? Benetton bestand. Eine juristische Handhabe sie zu blocken hätte er nicht gehabt. Schließlich ginge es dabei nur um „Geschmacksfragen“. Er selbst findet die Anzeige zwar „geschmacklos“, aber nach 17 Jahren in der Branche hätte er zum ersten Mal „den Helden spielen müssen“.

Bei der Agentur Thomson wollte man zu dieser Geschichte gar keinen Kommentar mehr abgeben. „Da ist was schiefgelaufen“, ließ sich den versiegelten Angestelltenlippen immerhin entlocken. Für alles weitere müsse man sich an Benetton, Mailand, direkt wenden. Benetton in Mailand begründete die Aktion mit der „pazifistischen Botschaft“ der Anzeige, die als eine private Antikriegskampagne von Benetton zu interpretieren sei. Nur verstanden hat den Pazifismus bisher niemand. bam

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