: Krise der britischen Justiz soll übertüncht werden
Dublin (taz) — Nicht die Richter, sondern eine Handvoll Polizisten unteren Ranges sowie ein fehlerhafter forensischer Test waren Schuld am Fehlurteil gegen die Birmingham Six. Zu diesem Ergebnis kam das Londoner Berufungsgericht bei der Urteilsverkündung am Mittwoch. Die sechs Iren wurden vor zwei Wochen nach fast 17 Jahren Haft freigelassen, weil die Beweise der Anklage restlos diskreditiert waren.
In der Urteilsbegründung, die jetzt nachgeliefert wurde, hieß es, die Polizeibeamten hätten zumindest in Hinblick auf die Verhörnotizen gelogen. „Im schlimmsten Fall haben sie die Köpfe zusammengesteckt und einen Teil oder sogar ganze Verhöre frei erfunden.“ Die Richter sprachen jedoch sämtliche ihrer Kollegen, die im Laufe der vergangenen 17 Jahre mit dem Fall zu tun hatten, von jeder Schuld frei — und damit das Strafrechtssystem. Insbesondere Lordrichter Lane, der die Berufung der Birmingham Six 1988 mit unglaublicher Arroganz abgewiesen hatte, war seit dem Freispruch ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Über 100 Unterhaus-Abgeordnete forderten seinen Rücktritt. Das Berufungsgericht erklärte nun jedoch, daß die Entlastungsbeweise, die schließlich zu der Freilassung geführt haben, damals Lord Lane nicht zur Verfügung gestanden hätten. Mit keinem Wort wurde die Unschuld der Birmingham Six in der Urteilsbegründung erwähnt. Ralf Sotscheck
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