: Stirb' langsam!
■ Joel und Ethan Cohens „Blood Simple“, 23 Uhr, RTL Plus
„Es ist sehr schwierig, sehr mühevoll und sehr, sehr langwierig, einen Menschen umzubringen“, sagte Alfred Hitchcock. Und der mußte es wissen. Er war ein Künstler auf dem Gebiet. Die Kunst der Cohen-Brüder, deren analytischer Gangster- Cocktail Miller's Crossing zum Verblüffendsten und Innovativsten zählt, was die Lichtspielhäuser derzeit bieten, besteht darin, den Altmeister sowohl beim Wort als auch wörtlich zu nehmen.
Blood Simple, 1984 mit einem Schnürsenkelbudget von 1,5 Millionen Dollar gedreht, beginnt zunächst wie ein Psychothriller. Die gelangweilte Ehefrau des griechischen Barbesitzers Marty aus Texas tröstet sich mit Ray, dem Angestellten ihres Gatten. Mit Hilfe eines Privatdetektivs kommt Marty dahinter. Gegen Aufpreis soll Visser seine Frau Abby samt Nebenbuhler umbringen. Da dem schmierigen kleinen Schnüffler die Sache zu heiß ist, täuscht er den erledigten Auftrag nur vor, und zwar indem er dem griechischen Blutrachefreak zu dessen Genugtuung eine Fotomontage mit Ray und Abbys blutretuschierten Leibern unter die Nase hält: Blood Simple.
Wie in Millers Crossing sind es die Totgeglaubten, denen die Morde zugeschrieben werden. Abby und ihr Liebhaber Ray haben schließlich ein Motiv. Visser hingegen ist ein unbeschriebenes Blatt. Gefahrlos kann er den dazugehörigen Mord an Marty selbst erledigen und Martys Tresor ausräumen. Die Rechnung scheint aufzugehen.
Das Beseitigen der Spuren erweist sich nun als „sehr schwierig, sehr mühevoll und sehr, sehr langwierig“. Wie widerlich ist doch das viele Blut auf dem Boden, das Ray ungeschickterweise mit einer Plastiktüte aufwischt! Zu allem Überfluß ist der Grieche noch nicht ganz tot...
Bei Hitchcock wachsen Durchschnittsmenschen in einer außergewöhnlichen Situation über sich hinaus und leisten Erstaunliches. Rays Bemühungen, sich des unwillfährigen „Toten“ auf halbwegs antiseptische Weise zu entledigen, werden von den Cohens allerdings bis ins grauenhaft Absurde verzerrt. Es geht dort weiter, wo Hitchcocks Frenzy auf dem Kartoffelwagen endete, so weit, daß sich am Ende noch die Erde über dem Grab des lebendig verscharrten Griechen bewegt. Das Lachen schlägt in pures Entsetzen um und umgekehrt.
Es ist die Komplizenschaft des Regisseurs mit der trägen Schaulust an festgefahreren Genremotiven, mit der die Cohens auf originelle Weise spielen. Die Kamera, mitunter so flott, als wäre sie auf einen Baseball montiert, bildet stets einen zersetzenden Kommentar der Szenerie. Etwa wenn sie bei einer demonstrativ kunstvollen Fahrt über die Theke über einen Besoffenen steigt, der quer über der Bar liegt. Statt einem soliden Krimi bekommen wir subtile Nadelstiche verabreicht. Eine kunstvoll überdrehte Demontage des Suspensefilms, der durch Leichtigkeit, Ideenreichtum überzeugt. Manfred Riepe
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