Georgier stimmen für die Unabhängigkeit

Moskau (afp) — Bei der Volksabstimmung in Georgien über die Unabhängigkeit des Landes von der Sowjetunion sprachen sich die über drei Millionen Wahlberechtigten mit der überwältigenden Mehrheit von über 90 Prozent für die Loslösung der Republik von Moskau aus. So jedenfalls meldete die sowjetische Nachrichtenagentur gestern das erste Ergebnis. Georgische Quellen dagegen gehen von 99 Prozent Jastimmen für die Unabhängigkeitserklärung aus. Die Wahlbeteiligung in der südsowjetischen Republik, die sich mit fünf anderen Republiken nicht an dem unionsweiten Referendum zum Erhalt der Sowjetunion am 17. März beteiligt hatte, hat nach 'Interfax‘ bei 80 bis 90 Prozent gelegen.

Die Menschen mußten mit Ja oder Nein auf die Frage antworten: „Wollen Sie, daß die Unabhängigkeit von Georgien auf der Grundlage der am 26. Mai 1918 gegründeten demokratischen Republik Georgien wiederhergestellt wird?“ Die Abstimmung wurde von etwa hundert Wahlbeobachtern aus anderen sowjetischen Republiken und dem Ausland verfolgt. Auch in der am Schwarzen Meer gelegenen Autonomen Republik Abchasien (Nordwesten), wo die Georgier mit 46 Prozent von 500.000 Einwohnern in der Minderheit sind, fiel das Votum mit 62 Prozent Jastimmen nach ersten Berechnungen eindeutig für die Unabhängigkeit Georgiens aus. Vor zwei Jahren war es hier zu Zusammenstößen zwischen Abchasen und Georgiern gekommen. Angaben über die Wahlbeteiligung und das Abstimmungsverhalten in der autonomen Region Adscharien, die im Südwesten ebenfalls ans Schwarze Meer angrenzt, waren nur indirekt zu erhalten. Dort hieß es lediglich, die Wahlbeteiligung dort sei dermaßen hoch, daß zusätzliche Stimmzettel gedruckt werden mußten. Auch südöstlich von Tiflis, wo zu 90 Prozent Armenier leben, beteiligten sich über 90 Prozent der Wahlberechtigten an der Abstimmung und stimmten mit über 80 Prozent mit Ja. Der Präsident der benachbarten Sowjetrepublik Armenien hatte seine in Georgien lebenden Landsleute zuvor aufgerufen, sich für die Unabhängigkeit Georgiens einzusetzen. Auch hatte die Regierung in Tiflis allen Nichtgeorgiern die georgische Staatsbürgerschaft sowie die Zuteilung von Land versprochen.

Im autonomen Gebiet Süd-Ossetien dagegen war die Lage am Montag unklar geblieben. Dort war es wegen des Wunsches der Menschen, an das der Russischen Föderation angehörende Nord-Ossetien angegliedert zu werden, in den vergangenen Monaten zu heftigen Kämpfen zwischen Georgiern und Osseten gekommen, in deren Verlauf bereits rund 50 Menschen starben. Der Volksdeputiertenkongreß in Moskau hatte sich am Sonntag mit 887 von 1.011 Stimmen für die Autonomie Süd-Ossetiens ausgesprochen.