: Irakische Offensive gegen Kurdistan
■ Mehrere Städte bombardiert/ Kurden fliehen offenbar zu Hunderttausenden in die Berge/ Hammadi: Ende des „Glaubensaufstands“/ USA: Demokraten fordern Eingreifen gegen Hubschrauber
Damaskus/Bagdad/Washington (afp) — Vor dem Hintergrund einer breitangelegten Offensive der regimetreuen irakischen Truppen in Kurdistan haben die Kurden gestern mittag die Einnahme der Stadt Sakho und des Hauptquartiers der kurdischen Kämpfer dementiert. Kamal Fuad, Sprecher der Patriotischen Union Kurdistans, erklärte in Damaskus, der Angriff der Armee auf Sakho sei gescheitert. Die Peschmergas, die kurdischen Kämpfer, hätten die Soldaten bis in die Stadt Sumail vertrieben, die südlich von Sakho an der Straße zu Dohuk liegt.
Damit reagierte Fuad auf eine Meldung der irakischen Nachrichtenagentur 'Ina‘, in der es zuvor geheißen hatte, die Regierungstruppen hätten am Montag morgen Sakho eingenommen. Ein Teil der Rebellen habe „panikartig“ die Flucht ergriffen, andere hätten sich den Regierungstruppen ergeben, hieß es in dem 'Ina‘-Bericht weiter. Die Bevölkerung arbeite mit den regierungstreuen Truppen zusammen, um die „Saboteure“ aufzuspüren, die sich in den umliegenden Dörfern versteckten. Sacho liegt rund vierzig Kilometer von der Grenze zu Syrien entfernt und in der Nähe der Grenze zur Türkei.
Seit Beginn der Regierungsoffensive gegen die Kurden im Nordirak am Dienstag letzter Woche war Sakho das Hauptquartier der oppositionellen Kurdistan-Front, in der sich mehrere kurdische Organisationen zusammengeschlossen hatten. Nach Berichten der kurdischen Rebellen war Sacho am 13. März als erste Stadt im irakischen Kurdistan befreit worden.
Bei ihrer Offensive gegen die Peschmergas, die weite Teile Kurdistans unter ihre Kontrolle gebracht hatten, gehen die Regierungstruppen, ähnlich wie zuvor auch im Süden des Landes, zunächst gegen die großen Städte vor. Am Wochenende wurden Kämpfe um Kirkuk, Dohuk, Arbil und Suleimaniyah gemeldet. Kurdischen Angaben zufolge wurden diese Städte mit Kriegsflugzeugen, Kampfhubschraubern und schwerer Artillerie bombardiert. Nach irakischen Angaben sind Kirkuk und Arbil dabei zurückerobert worden. Die Führung in Bagdad hat für heute ausländische Journalisten zu einem Besuch nach Arbil eingeladen. Am Sonntag konnten Korrespondenten Kirkuk besuchen (siehe Seite 7). Von kurdischer Seite hatte es am Wochenende geheißen, es sei möglich, daß sich „die Aufständischen aus Arbil zurückziehen müssen“, um die Zahl der Opfer nicht zu erhöhen, mit denen die Straßen übersät seien. Kurdische Organisationen riefen die multinationalen Streitkräfte und die UNO dazu auf, den „Völkermord“ an den Kurden zu beenden.
Der irakische Ministerpräsident Saadoun Hammadi hatte am Samstag in einer direkt übertragenen Rundfunkansprache den „Glaubensaufstand“ für beendet erklärt und demokratische Reformen angekündigt. Dabei ging er nicht ausdrücklich auf die Volksaufstände im schiitischen Süden des Landes und im kurdischen Norden ein, rief aber angesichts des von ihm verkündeten Endes der Kämpfe zum Wiederaufbau des Landes auf. In seiner ersten Rede bezeichnete der neue Ministerpräsident die Aufständischen als „vom Ausland bezahlte Agenten“ und bezichtigte sie eines Dolchstoßes gegen das eigene Land. Hammadi sagte, sein Land werde einen Beitrag zur Sicherheit, Stabilität und Ruhe in der Region leisten und verteidige die Ziele der arabischen Nation.
Angesichts der Kämpfe in Kurdistan flüchten offenbar Hunderttausende von Peschmergas mit Frauen und Kindern in die Berge. Das berichtete am Sonntag mittag ein BBC- Korrespondent aus Arbil. „Immer wieder fragen sie uns, warum die Alliierten, die die irakische Bevölkerung zum Aufstand gegen Saddam Hussein gedrängt hatten, tatenlos zusehen und sie mit den Konsequenzen für ihr Tun allein lassen“, berichtete Korrespondent Jim Muir.
Die USA hatten am Freitag nochmals bekräftigt, daß sie sich nicht in den irakischen Bürgerkrieg einmischen würden. Demgegenüber forderte der Chef der demokratischen Mehrheit im Senat, George Mitchell, am Sonntag ein Eingreifen der US-Armee gegen den Einsatz irakischer Militärhubschrauber im Bürgerkrieg. In einem Interview mit dem US-Fernsehsender NBC erklärte Mitchell, die USA dürften weder den Einsatz von Flugzeugen noch von Hubschraubern gegen die Rebellen dulden. Zugleich sprach sich Mitchell gegen ein direktes Eingreifen der USA in die inneren Kämpfe im Irak aus. Auch der demokratische Abgeordnete Lee Hamilton forderte im Fernsehsender CNN ein Ende des „Blutbads“, das die Hubschraubereinsätze gegen kurdische und schiitische Aufständische anrichteten. Auch Hamilton sprach sich gegen eine amerikanische Intervention zur Unterstützung der Aufständischen aus.
Bei der Vereinbarung der Feuerpause war festgelegt worden, daß der Irak keine Kampfflugzeuge starten und Hubschrauber nur zu Transportzwecken einsetzen darf. Die US- Luftwaffe hatte irakische Flugzeuge abgeschossen, die gegen das Startverbot verstießen, Hubschrauber jedoch bislang nicht angegriffen.
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